Religiöse Lyrik in Australien
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Die Fragestellung dieser Arbeit ergibt sich einerseits aus dem Konzept von Kolonien und insbesondere Australiens als Echo- bzw. Palimpsestkultur sowie der erst in jüngster Zeit kritisch hinterfragten Behauptung andererseits, die Literatur des fünften Kontinents sei religions- und metaphysikfeindlich. Wenn es zutrifft, dass Australiens Kultur aus der Transposition des kulturellen Zeichensystems der Ausgangskultur Großbritannien in das koloniale entstanden ist, müssen sich auch Spuren religiösen und philosophischen Denkens in seiner Literatur nachweisen lassen (Intertextualitätsmethode). Die Ausrichtung an Modellen der Ausgangskultur ist für Schriftsteller in Australien deshalb so natürlich, weil der fünfte Kontinent von den frühen anglo- europäischen Siedlern als tabula rasa behandelt und mit einer anglo-europäischen „Kulturzweitschrift“ überschrieben wurde. Am Beispiel der Rezeption und Adaption von religiösen Prätexten wird dieser komplexe Sachverhalt nachgezeichnet. Im Grenzbereich zwischen Literaturwissenschaft und Theologie angesiedelt, widerlegt die Studie damit auch die These von der angeblichen Areligiosität der Literatur und Kultur Australiens. Sie zeigt mit reichhaltigen Belegen vor allem aus der Lyrik, wie sich das Denken der Menschen von einer im 19. Jahrhundert noch privaten Religiosität zu einer gemeinschaftlich orientierten und schließlich hin zu einer öffentlichen, politisch engagierten Religiosität im 20. Jahrhundert wandelt.