Gewerkschaftliche Mitgliedschaftsloyalität
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Gewerkschaften haben es in Deutschland mit dem Problem zu tun, dass alle Arbeitnehmer ungeachtet ihrer Mitgliedschaft von ihren Hauptleistungen, den Tarifkonditionen, profitieren. Deshalb fehlt es ihnen an handfesten ökonomischen Argumenten, um Arbeitnehmer von einem Beitritt zu überzeugen. Die Vergangenheit zeigt jedoch, dass Gewerkschaften ihre Mitgliederbasis erfolgreich stabilisieren können. Diese Beobachtung führt zu der Frage, wie Gewerkschaften ihre Mitgliedschaften stabilisieren, wenn sie dafür nicht auf ökonomische Mitgliedschaftsanreize zurückgreifen können? Um diese Frage zu beantworten, nimmt die Studie eine erweiterte Perspektive ein und berücksichtigt neben ökonomischen Motiven wertrationale Mitgliedschaftsmotive und intersubjektive Erwartungen am Arbeitsplatz. Mit diesem dreidimensionalen Modell wird die Mitgliedschaftsbindung der IG Metall-Mitglieder systematisch untersucht. Die empirische Analyse basiert auf repräsentativ erhobenen Daten. Dafür wurden 1240 Mitglieder der IG Metall aus Fahrzeugindustrie und Maschinenbau, befragt. Aufbauend auf einer ausführlichen deskriptiven Analyse wird untersucht, welchen Effekt die drei unterschiedlichen Motive auf die Mitgliedschaftsneigung der Mitglieder und deren Engagement haben. Hier stellt sich heraus, dass insbesondere die wertrationale Loyalität für die Gewerkschaft von eminenter Bedeutung ist und insofern als ihre Hauptressource angesehen werden kann. Das Hauptaugenmerk der Untersuchung liegt schließlich auf der Identifizierung der relevanten Faktoren für die Ausbildung der Mitgliedschaftsloyalität. Besonders interessant ist der Befund, dass die IG Metall durch ihre organisierten Betriebsräte in den Betrieben einen großen Einfluss auf die Bindung ihrer Mitglieder hat. Ferner nimmt aber ihre Reputation in der Öffentlichkeit einen großen Stellenwert ein. Eine Reihe von Faktoren, denen in den Sozialwissenschaften traditionell eine große Bedeutung eingeräumt werden, erweist sich hingegen als belanglos. Darunter fällt die traditionelle Hauptunterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten genauso wie die Streikerfahrung der Mitglieder und ihre familiäre Sozialisation. Für die IG Metall dürften die Ergebnisse Anlass zur Hoffnung geben. Ist sie doch in der Lage, ihre Mitglieder mit geeigneten Strategien aktiv zu binden. Der allseits vernehmbare Pessimismus, der sich aus einer übertriebenen Betonung eines sich vermeintlich ändernden Zeitgeistes speist, muss also einer kritischen Neubewertung unterzogen werden.