1440 minutes New York City
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Ein Hydrant, aus welchem Wasser spritzt, mitten in der Fontäne (zum Beispiel) ein Kind, das sich so an einem heissen Sommertag abkühlt: Dies ist eines der Sujets, welche Peyman Azhari als symbolhaft für New York verwendet, und das nicht von ungefähr. Die Bilder, in welchen der lindernde, sich selbst verschwendende Wasserstrahl stellvertretend für jene Ostküstenstadt einsteht, haben eine lange Tradition. Schon in den 1930er-Jahren fing Arthur Felling dieses Motiv ein, das durch zeitgenössische Künstler wieAzhari als Währung für 'Yorkness' stabilisiert wird. Die Umsetzung dieses Klassikers gelingt ihm formvollendet: Das Wasser leuchtet hier geradezu im Gegenlicht, die unterschiedliche Körperdynamikder abgebildeten Personen wird deutlich zur Geltung gebracht, und das träge Wasser am Bodenist so detailgetreu wiedergegeben, dass es – wie der feine Sprühnebel – fasthaptisch erlebbar scheint. Solche Bilder funktionieren analog zu Mozarts 'Kleiner Nachtmusik': Selbst Kindern sind die gängigen Motive bekannt, doch unter den kundigen Fingern eines Virtuoso vermag die Ausführung auch heute noch zu entzücken. Leichtigkeit als Topos Andere der monochromen BilderAzharis bestechen durch eine eigenständigere, zuweilen zart humorvolle Originalität. In diese Gruppe fällt etwa der Anblick einer übergrossen, gasgefüllten Variante des Kermit, jenem Frosch aus der 'MuppetShow'. Die Surrealität dieses Riesenfroschs, der hier an Hochäusern vorbeischwebt, entlockt uns unweigerlich ein Schmunzeln. Die physische Leichtigkeit des Aufblasfroschswird von Azhari parallel geführt mit einer Leichtigkeit in der Grundstimmung mehrerer New-York-Bilder. Denn die gleiche stoffliche Leichtigkeit findet sich in Form von aufsteigenden Seifenblasen, sich frivol kräuselndem Zigarettenrauch oder – eben – in Form des schimmernden Sprühnebels. Fragile Unbeschwertheit So unbekümmert wie oben dargelegt sind nicht alle Aufnahmen imBuch. Und wie bei Vexierbildern, die beim Hinstarren ins Gegenteil kippen, kann man sogar durch die unbeschwerten Sujets zum Grübeln gebracht werden, wenn man auf diese Motive einen zweiten oder einen dritten Blick wirft: Hat nicht dieser aufgeblasene Grinsefrosch auch etwas Bedrohliches? Ferner ist das Öffnen der Hydranten zwecks Erfrischung streng genommen illegal – eine jener kleinen Transgressionen, die in der vergangenen Dekade insgesamt viel schärfer ins Auge gefasst wurden. Und das Rauchen, wie im Porträt mit der James-Dean-Haartolle, ist doch ebenso kriminalisiert worden wie in den USA das Fotografieren von öffentlichen oder privaten Gebäuden. Ob mit oder ohne Absicht des Produzenten: In die unbeschwerten Aufnahmen ist die andere Seite der Medaille – die Fragilitätebendieser Unbeschwertheit – bereits eingeschrieben. Das Nachdenken über den momentanen Kontext dieser Bilder, nun da sich 9/11 bald zum zehnten Mal jährt soll letztlich nicht ganz ausgeblendet bleiben. Es ist dies nämlich eine der grossen Stärken der handwerklich überzeugenden und visuell einnehmenden Arbeiten Azharis: Er zeichnet ein Bild von New York als zuversichtliche und lebenslustige Stadt. Und dieses Bild ist zutreffend. Der Blick auf New York einzig als Wunde und Symptom mag einst seine Berechtigung gehabt haben. Doch wie in den Arbeiten Azharis ist New York selbst 'alive and kicking' – und das ist gut so!