Gerichtspraxis in der ländlichen Gesellschaft
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Daß Konflikte vor Gericht endeten, gehörte in der frühneuzeitlichen Gesellschaft zum Alltag. Das ist der überraschende Befund der Studie von Jenny Thauer, die auf der umfassenden Auswertung der Akten eines altmärkischen Patrimonialgerichts um 1700 basiert. Erstmals in der Rechtsgeschichte wird ein mikrohistorischer Ansatz angewandt, der die genaue Rekonstruktion und kulturelle Kontextualisierung eines lokalen Fallbeispiels an die Stelle globaler Aussagen über die Rechtspraxis treten läßt. Dadurch entsteht das farbige Bild einer dörflichen Gesellschaft, in der die Ehre tagtäglich durch Beleidigungen und körperliche Übergriffe angegriffen wurde und oft nur durch die schlichtende Tätigkeit des Richters wiederhergestellt werden konnte. Die genaue Darstellung und rechtshistorische Analyse des Gerichtsverfahrens kann außerdem Historikern, die frühneuzeitliche Gerichtsakten als Quellen heranziehen, wichtige Hintergrundinformationen liefern und verbreitete Fehlinterpretationen vermeiden helfen. Die Patrimonialgerichtspraxis wird erst dann verständlich, wenn Prozeßrecht, Richter, Kläger, Beklagte und dörfliche Gesellschaft im Zusammenhang gesehen werden.