Die "Essential-Facilities"-Doktrin im europäischen Kartellrecht
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Der Kern der „ Essential Facilities“~-Doktrin besteht in der Gewährleistung des Zugangs zu wesentlichen Einrichtungen, z. B. Hafeneinrichtungen, Telekommunikations-, Energie- und Verkehrsnetzen. Die Doktrin bietet ein praktisches Mittel zur Lösung des Monopolproblems. Bei der Anwendung der Doktrin im Einzelfall ergeben sich jedoch erhebliche Schwierigkeiten. Die Doktrin stammt aus der U. S.-amerikanischen Rechtsprechungspraxis. Die EG-Kommission hat durch die sog. „ Seehafenentscheidungen“ die U. S.-amerikanischen Erfahrungen und damit die Grundidee dieser Doktrin übernommen. Diese spielt eine entscheidende Rolle als ideologische Grundlage für die Markteröffnung in Europa. Ursprünglich ergab sich ein theoretischer Konflikt zwischen Sec. 2 Sherman Act und Art. 82 EG, der der Doktrin zugrunde liegt. Dieser Konflikt kann durch die sog. „ Monopoly Leverage“~-Theorie gelöst werden. Es wird intensiv diskutiert, ob die Doktrin im Zusammenhang mit anderen Arten des Missbrauchs (z. B. Geschäftsabschlussverweigerung und Diskriminierung) überflüssig ist oder nicht. Die Doktrin ist als eine spezielle Form der Geschäftsverweigerung und der Diskriminierung anzusehen. Problematisch ist, unter welchen Voraussetzungen die wesentlichen Einrichtungen Dritten zur Verfügung gestellt werden müssen. Im Zuge der Analyse ergeben sich viele schwierige Fragen, vor allem in Bezug auf die Reichweite des Rechtsbegriffs der „ Essential Facilities“, des Markt- und des Marktbeherrschungsbegriffs im Rahmen der Doktrin. Das Immaterialgüterrecht wirft in diesem Zusammenhang besondere Schwierigkeiten auf. Die weiteren Fragen betreffen u. a. die Arten möglicher Rechtfertigungsgründe und die Angemessenheit des Zugangsentgelts. Die Doktrin führt zu einem faktischen Kontrahierungszwang. Das könnte gegen die verfassungsrechtlichen Prinzipien der Vertrags-, der Eigentums- und der Berufsfreiheit verstoßen. Aus einer Analyse der Rechtsprechung des EuGH lässt sich indes schließen, dass die Doktrin nicht gegen die obengenannten Prinzipien und nicht gegen das Bestimmtheitsgebot verstößt. Bei der Anwendung der Doktrin ist eine ökonomisch langfristige und zukunftsorientierte Gesamtschau notwendig, da andernfalls ein Verlust von Investitionsanreizen zu befürchten wäre. Entscheidend ist daher nicht der Schutz der Wettbewerber, sondern der Schutz des Wettbewerbs als solcher.