Das Rattenbuch

»... und die im Dunkeln sieht man nicht«. Falsch. Sie sind auf dem Vormarsch ins Helle, die Ratten. Verspielt lehnt sich eine Ratte an den Hals einer jungen Punkerin, schmückt die Schultern von Mitgliedern anderer Szene-Groups. Längst gilt sie als alternatives Statussymbol. Munter putzt sie sich ihre Barthaare, um dann im inwendigen Dunkel der Jackentasche schnell zu verschwinden. Warum aber ist sie in den hiesigen Stofftierabteilungen nicht zu finden? Der Protagonist in Heide Platens Buch ist dieser haßgeliebte Nager, ein Viech, das in unserem Kulturkreis im allgemeinen nichts als Schauder und Ekel hervorruft, als widerwärtig empfunden wird »von der Nasenspitze bis zum Schwanz«. Die Autorin möchte die heimlichen Huscher ins rechte Licht setzen und tritt damit gegen alle Horrorvideos an, in denen Ratten die Gruselrolle übernommen haben. Dabei geht sie nicht nur Fragen der Herkunft, Verbreitung und Vermehrung der Gattungen Rattus rattus und Rattus norvegicus nach. In flotter Sprache wird hier umfassend über das Dasein und die Bedeutung der Ratte aufgeklärt, von der Antike bis heute, in unterschiedlichen Kulturen und über die Rolle des Nagers in Literatur und Film. Einen festen Platz hat sich der Allesfresser in Volkssagen, in den medizinischen Labors der Kosmetikindustrie und sogar in der psychoanalytischen Deutung sexueller Projektionen erobert. Dort gehört die Ratte zum Alltag. Außerhalb des europäischen Kulturkreises trifft die Autorin auf fehlenden Rattenekel und steuert gar einige Rezepte aus der Rattenküche bei.