Thomas Manns "imitatio Goethe's" aus dem Geist der Entsagung bei Goethe

Thomas Manns imitatio Goethes wurde bisher meist im Kontext von Goethes Darstellung oder Manns persönlichen Krisen betrachtet, wobei eine tiefere Verbindung in Bezug auf Seins- und Dichtungsverständnis oft übersehen wurde. Diese Arbeit legt den Fokus auf Manns Nachfolge Goethes und integriert dessen Seins- und Dichtungsverständnis. Eine präzisere Analyse zeigt, dass Mann in wesentlicher geistiger Nachfolge Goethes steht, insbesondere in der poetisch-ethischen Haltung der Entsagung. Die Charakteristika der imitatio Goethes in Manns Vorträgen und Essays werden herausgearbeitet und deren Bedeutung für die Joseph-Romane und „Lotte in Weimar“ erläutert. Dazu gehören Aspekte wie Wiedererkennen, Freiheit der Variation, Bewusstsein und Liebe als Vollzugskraft. Eine erweiterte Interpretation von Goethes Denken, die dessen Nichtchristentum und die Frage nach Lebensmaß und Sitte berücksichtigt, bietet tiefere Einblicke in die Entsagung und die Wiederentdeckung der imitatio Goethes. Besonders der künstlerische Aspekt der Entsagung wird neu beleuchtet, wobei die Ergebnisse unter dem Begriff der Kunst zusammengeführt werden. So wird die imitatio Goethes als dichterische Seinsentsprechung sichtbar, die in auffälliger Parallelität zu taoistischem Denken und Martin Heideggers Philosophie steht. Der Anhang liefert ergänzende Belege.