Religiöse Kommunikation und weltanschauliches Wissen
Kommunikative Konstruktionen unabweisbarer Gewissheiten und ihre gesellschaftlichen Wirkungen
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Kommunikative Konstruktionen unabweisbarer Gewissheiten und ihre gesellschaftlichen Wirkungen
Das 2017 erschienene Buch von Hubert Knoblauch »Die kommunikative Konstruktion der Wirklichkeit« enthält den Entwurf einer eigenen, über den bisherigen sozialen Konstruktivismus hinausgehenden soziologischen Theorie. Der vorliegende Band erhebt den Anspruch einer systematischen Auseinandersetzung mit diesem Opus ausdrücklich nicht. Gleichwohl ist »Die kommunikative Konstruktion der Wirklichkeit« archimedischer Bezugspunkt einer sehr viel breiter greifenden Beschäftigung mit dem Autor und seinem bisherigen soziologischen Schaffen. 2019 wird Hubert Knoblauch 60 Jahre alt. Aus diesem Anlass als Kollektivprodukt geschaffen, enthält der Band rund 100 Beiträge von Kolleginnen, Weggenossen, Freunden und Schülerinnen, die Knoblauchs Werk und Person aus einer Vielzahl verschiedener Perspektivierungen beleuchten. Formal am Aufbauprinzip einer quasilexikalischen Gestalt orientiert, entfaltet sich ein Kaleidoskop höchst diverser und ihrem Gehalt wie ihrer Form nach sehr unterschiedlicher Bezugnahmen auf den hier geehrten Soziologen.
Powerpoint-Präsentationen sind zum Standardformat des öffentlichen Vortrags geworden, tagtäglich werden weltweit mehr als 200 Millionen aufgeführt. Die Autoren präsentieren die Ergebnisse eines DFGForschungsprojekts und liefern Fachbeiträge aus Soziologie, Linguistik und Rhetorik. Sie zeigen eine hybride Kommunikationsgattung, die mündliche, textliche und visuelle Elemente performativ vereint, führen Rhetorik, Variationen und visuelle Grammatik von Präsentationen, die Rolle von Deixis und Zeigen sowie Vorführungs-Pannen aus und diskutieren ihren großen Einfluss auf die Wissensvermittlung.
Zukunftsvisionen sind nichtalltägliche Erfahrungen, in denen Wissen über die Zukunft offenbart wird. Bernd Schnettler untersucht anhand qualitativer Daten aus narrativen Interviews und ethnographischen Beobachtungen die Form, Struktur und Inhalte solcher Transzendenzerfahrungen in der Gegenwart. Diese Visionen erweisen sich als kulturelle und kommunikative Konstruktionen. In unserer „ekstatischen Kultur“ messen wir dem Erleben von Transzendenzen einen hohen subjektiven Stellenwert bei, doch paradox ist, dass nicht die visionären Erfahrungen, sondern deren kollektives Mobilisierungsvermögen nahezu verschwunden ist. Mit dem Zerfall institutionalisierter Deutungsmuster und Legitimationen der Vision ist das Band zwischen Transzendenzerfahrung, Deutung und Handlungsmustern durchtrennt. In Deutschland motivieren visionäre Erfahrungen kaum noch zu prophetischer Verkündigung oder politischer Aktion, im Gegensatz zu den USA. Der Begriff der Vision hat zudem einen bedeutenden semantischen Wandel durchgemacht: Er wird nun als Legitimationsrhetorik in Wirtschaft und Politik verwendet, um nicht rational begründbare Handlungspläne zu rechtfertigen. Große Visionen sind auf viele kleine, mundane Visionen mit geringer Reichweite geschrumpft, während der Platz, den (Un-)Heilseschatologien oder Utopien einnahmen, leer bleibt. Dies geschieht in einer Kultur, der nicht nur die kollektiven Visionen, sondern auch die Zukunft selbst abhanden gekommen