Nachkriegsschamanismus
Beiträge zu einer Kultur der Niederlage
Beiträge zu einer Kultur der Niederlage
Über die Möglichkeit einer Stadt
Neapel ist von der Entzauberung der Welt verschont geblieben, und doch ist es eine moderne Stadt. Schon geologisch doppelbödig, hat es eine Affinität zum Zwischenreich ausgebildet : Transgender und Geister, Adoptionsgemeinschaften als Familien, anonyme Totenschädel als Vorfahren. Ulrich van Loyen begibt sich mit seinem wissenschaftlichen Reisebuch in diese Schwellenzonen und versucht, anhand der Totenkulte die Matrix dieser Stadt zu entschlüsseln. Dabei leitet ihn weniger die europäische Hochkultur, für die Neapel eine dauernde Fremdheitsressource darstellt, als vielmehr die teilnehmende Beobachtung am Leben der sogenannten einfachen Leute. In den Gassen der Sanità, in den Unterkirchen der »Seelen im Fegefeuer«, bei Camorristi, die sich als Sozialhelfer geben, durch die Freundschaft mit Seherinnen, die die Toten zum Sprechen bringen und damit den politischen Klientelismus stürzen wollen, wird unter anderem deutlich, dass der Alltag das größte aller Geheimnisse, die Familie ein Mysterium und die Stadt eine permanente Krise bedeuten. Davon kann man mit Neapel erzählen, und damit erzählt Neapel uns.
Ulrich van Loyen geht den Spuren des Soziologen Norbert Elias in dem frisch dekolonialisierten Ghana nach, wo dieser 1962–64 eine Gastprofessur innehatte. Van Loyen schildert Elias’ Begegnung mit dem fremden Kontinent und die Rückwirkungen dieser Erfahrungen auf sein Denken.
In TUMULT 33 wird die Kunst der Diskretion beleuchtet, die in verschiedenen Kontexten eine zentrale Rolle spielt: von der Entsorgung eines Ministerpräsidenten bis hin zu einem enttarnten Kriegsgrund und der höchsten Geldstrafe, die eine Partei in Deutschland je zahlen musste. Diskretion wird als Fähigkeit beschrieben, Informationen über geheime Kanäle zu kommunizieren, was sowohl als Tugend als auch als Bedrohung für die Demokratie wahrgenommen wird. Sie schafft Hierarchien und unterscheidet zwischen verschiedenen sozialen Schichten. Gleichzeitig wird die Frage aufgeworfen, wie eine Institution wie die angelsächsische Demokratie ohne Diskretion überleben könnte. Der Band enthält begriffsgeschichtliche und kulturvergleichende Essays, die das Phänomen der Diskretion untersuchen und Fallstudien sowie Gespräche mit Insidern einbeziehen. Auch die Lebensformen von Priestern, Bankern und Dichtern, deren Ansehen auf der Geheimhaltung ihrer Tätigkeiten beruht, werden thematisiert. Im digitalen Zeitalter, in dem Ruhm und Heimlichkeit eng miteinander verknüpft sind, wird die Faszination für Diskretion umso relevanter. TUMULT hat eine wechselvolle Verlagsgeschichte und wird seit 2011 wieder bei BÜCHSE DER PANDORA veröffentlicht, mit jeder Ausgabe kunstvoll und individuell gestaltet.
Nach Jacob Grimm blüht der „unveraltete Sinn“ hinter Bergen und in engen Tälern, wo schlechte Aufklärung noch nicht ihr Handwerk verrichtet habe. Am Beginn nationaler Philologie werden Sinn und Landschaftsbild, Sichtbares und Unsichtbares, sinnliches Erleben und normativer Gehalt zusammengeführt. Daraus resultiert ein Gestus, der nach der Romantik die Exklusivität von Weltzugängen unter Einbeziehung und Umschreibung tradierter Formen – Gnosis, Mystik und Mittelalter – wieder aufnimmt und nicht nur auf deutsche Sonderwanderwege verweist. Der Rückzug ins Unzeitgemäße wird zur Legitimation des authentischen Sprechens, ebenso wie die Aussetzung der Kommunikationsgemeinschaft den „Sinn“ in eine epiphanische Evidenz übersetzt. Mit Beiträgen von: Claus-Ekkehard Bärsch, Johannes Beringer, Carlfriedrich Claus, Christian Enzensberger, Marc Föcking, László F. Földényi, Hans Ulrich Gumbrecht, Helmut Kohlenberger, Ulrich van Loyen, Helmut Mottel, Michael Neumann, Dieter Schlesak, Alexander Stoll, Wilhelm Worringer, Arne Zerbst
Weit bekannt ist die Anekdote, dass die Mafiadarsteller aus den Hollywoodfilmen ihre realen Vorbilder dahingehend beeinflusst haben, die Waffen schräg und nicht gerade zu halten. Und der Erfolg von Roberto Savianos Büchern über die Gomorrha und die Kinderclans zeugt von einem weit über Italien hinausreichenden Interesse der bürgerlichen Gesellschaft an der Struktur und den Geschichten des organisierten Verbrechens. Aber wie viel Mafia erzählt die Literatur und wie viel Literatur steckt in der Mafia? Diese auf ethnologischer Feldarbeit und literarurwissenschaftlicher Theorie gründende Reflexion liest die Werke der Briganten-Literatur, erzählt von den Paten, die ihre eigene Geschichte in Versform verfassen. Mafiakultur ist ein Sammelbegriff, der von einem Zusammenschluss außerhalb des Staates und abseits der Wohlhabenden handelt, von einer revolutionären Kraft, die auf konservativen Werten fußt: Familie, Liebe, Ehre und Rache, wo sie eben geboten ist. Es ist die Möglichkeit, die eigenen Verhältnisse zumindest in der Vorstellung zu überwinden und Teil einer Geschichte zu werden, deren Fortschreibung eng mit der Literatur über sie verbunden ist.