Wie verhalten sich Fotografie und Wirklichkeit zueinander? Eine landläufige Annahme verleitet dazu, Fotos bloß als indexikalische Lichtspuren einer bildvorgängigen Wirklichkeit - als »Abbilder« der Wirklichkeit - zu begreifen. Dabei geraten die spezifischen Produktions-, Gebrauchs- und Wirkungsweisen von Fotografie aus dem Blick. So zeigen sich im weiten Feld des Fotografischen Phänomene, für deren Erfassung Fotogeschichte und -theorie bislang kein hinreichendes Instrumentarium entwickelt haben. Die Beiträger_innen dieses Bandes beleuchten anhand anschaulicher Fallbeispiele Aspekte der Inszenierung, Fiktion und Narration, die für die Konstitution von Wirklichkeit in und durch Fotografie zentral erscheinen, und prüfen erstmals umfassend deren Tragfähigkeit und Anwendbarkeit.
Lars Blunck Knihy






Partizipation, die aktive Teilhabe des Ausstellungspublikums, wurde Ende der fünfziger und zu Beginn der sechziger Jahre als neue Parole in der Kunst ausgegeben; einer Kunst, die sich gegen die Hochkunstattitüde des Abstrakten Expressionismus und gegen einen versteinerten Werkbegriff wendete. Kunst sollte sich nicht mehr in einem musealen Artefakt ausdrücken. Im Gegenteil: Die Hermetik, die Aura und Autonomie von Kunstwerken sollte aufgebrochen werden. Kunst sollte einer Situation entsprechen, einem Prozess, einem Ereignis, in dem die Betrachter zu Mitwirkenden und Ko-Autoren werden sollten. Das vorliegende Buch spürt der Frage nach den historischen Bedingungen des Ideals einer stärkerer Affizierung und Involvierung der Betrachter durch deren taktile und leibliche Beteiligung nach. So geht es nicht nur um die Skizzierung jener künstlerischen Positionen, die in unterschiedlichem Grad und mit differierenden Intentionen auf die Verflüchtigung festgefügter Werkstrukturen abzielten (thematisiert werden Künstler wie Brecht, Cornell, Dine, Duchamp, Johns, Kaprow, Kienholz, Maciunas, de Maria, Morris, Rauschenberg, de Saint Phalle, Tinguely, Watts, Wesselmann u. a.). Vielmehr geht es um die Frage, ob und in welchem Maße die jeweiligen Strategien, die künstlerischen Objekte in Ereignisse zu überführen, im realen Ausstellungsbetrieb überhaupt Wirksamkeit erlangen konnten. Dabei zeigt sich, dass im Spannungsgefüge von Objekt– und Ereignischarakter der Partizipationskunst die Teilhabe des Ausstellungspublikums einen der Mythen der Nachkriegsavantgarde darstellt.
Die Gesichter der Kunst
Beiträge der Tagung im Germanischen Nationalmuseum 11. und 12. Juni 2015
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts sind bildende Künstlerinnen und Künstler immer wieder fotografiert worden, sei es nahsichtig im Porträt, repräsentativ im jeweiligen Tätigkeitsumfeld, im Gruppen- und Freundschaftsbild, gesellig bei Festen und Feiern, in privater Atmosphäre oder situativ an den institutionellen Orten der Kunst. Die Vielfalt des fotografischen Blicks, aber auch der jeweiligen Selbstrepräsentation dokumentiert sich in den umfangreichen Beständen des Deutschen Kunstarchivs im GNM. In Anbindung an die virtuelle Ausstellung „Die Gesichter des Deutschen Kunstarchivs“ beleuchtet und vertieft der Tagungsband zentrale Aspekte dieser außergewöhnlichen, lange Zeit eher verborgen gebliebenen Sammlungsbestände. Sonderdruck aus dem „Anzeiger des Germanischen Nationalmuseum 2016“
Duchamps Readymade
- 295 stránek
- 11 hodin čtení
Das Readymade ist lange Zeit begriffen worden als ein zum Kunstwerk erhobener Gebrauchsgegenstand – eine Vorstellung, die wesentlich geprägt ist durch die surrealistische Rezeption, namentlich durch André Breton: Erst in den 1930er und 60er Jahren wurde Marcel Duchamps Readymade zu dem, was wir heute darunter verstehen. Einhundert Jahre nach dem berühmten Eklat um Duchamps „Fountain“ im Jahr 1917 ist es Zeit, dieses Verständnis des Readymades einer Revision zu unterziehen. Denn Duchamp erhob nicht Alltagsgegenstände zu Kunstwerken; vielmehr begründete er eine radikal neue künstlerische Praxis, die er in hohem Alter nochmals konzeptuell pointierte. Sie hat spätmoderne und zeitgenössische Werkpraktiken nachhaltig geprägt, etwa das Delegieren, das Referenzieren, die Verweigerung oder den Entzug. Lars Blunck rekonstruiert diese andere Geschichte des Readymades. Duchamps Readymade wird unsere Vorstellung vom Readymade grundlegend verändern – und uns zeitgenössische Kunst von den spezifischen Formen künstlerischer Praxis her begreifen lassen.
Marcel Duchamp: Porte-bouteilles
- 132 stránek
- 5 hodin čtení
Duchamps berühmter »Flaschentrockner« sollte ein Werk ohne Kunst sein, etwas Gemachtes ohne »artistisches Handwerk«. Lars Blunck zeigt mit einem frischen Blick, wie sehr Duchamp sich ironisch und wortspielerisch gegen das malerische Handwerk seiner Zeit wandte – und diesem doch verbunden blieb, indem er der Malerei ein »un-artistisches Handwerk« gegenüberstellte: ein Handwerk nach dem Handwerk.
Duchamps Präzisionsoptik
- 350 stránek
- 13 hodin čtení
In werknahen und wissenschaftshistorischen Analysen geht die Publikation einem lange übersehenen Aspekt im Werk Marcel Duchamps nach: der von ihm selbst so bezeichneten „Optique de précision“. Während der Begriff „Präzisionsoptik“ in den 1920er Jahren in Ophthalmologie und Allgemeiner Optik als instrumentenkundliche und apparatetechnische Sammelbezeichnung für optische Präzisionsinstrumente diente, stellt sich bis heute die Frage: Was bedeutet er bei Duchamp? Und vor allem: Was hat es mit dessen optischen und stereokinetischen Werken aus den 1920er und 30er Jahren auf sich? Duchamp selbst bemerkte dazu, er habe als Künstler versucht „anderen Formen der Betätigung nachzugehen – rein optische Dinge – was nichts mit Malerei zu tun hat.“ Ob diese „rein optischen Dinge“ tatsächlich so wenig mit „Malerei“ zu tun hatten, wie von Duchamp behauptet, oder ob sie sich nicht vielmehr einer intensiven Auseinandersetzung mit den theoretischen Grundlagen eines der maßgeblichen Darstellungsmittel der Malereigeschichte, nämlich der Linearperspektive, verdankten – u. a. dieser Frage widmet sich erstmals das vorliegende Buch. So nimmt es den bei Duchamp eigentümlich opak bleibenden Begriff der „Optique de précision“ zum Anlass, ausgewählte Werke der Jahre 1918 bis 1935 auf die Aspekte ‚Perspektive‘ und ‚Optik‘ hin zu untersuchen – und zeigt einen erstaunlich anderen Duchamp.
Werke im Wandel?
Zeitgenössische Kunst zwischen Werk und Wirkung
Im Begriff Werk – zumal im Begriff Kunstwerk – konnotieren sich bis heute Kategorien wie Form und Gestaltung, Originalität und Einmaligkeit, Autonomie und Aura, Dauer und Geschlossenheit. In dieser Perspektive indes sind Werke heute in der zeitgenössischen Kunst wohl ´out´! Es werden nicht mehr Werke geschaffen – zumindest nicht nach den Verlautbarungen der begleitenden Kunsttheorie. Auf der Agenda der zeitgenössischen Kunst scheint vielmehr die Aktivierung von Erfahrungspotentialen zu stehen: Kunst, die zur Aufführung kommt, Kunst, die sich im Handlungsvollzug generiert, performative Installationen, psycho-physische Irritationen, insze-nier-te Ereignisse, ortsspezifische Interventionen, soziopolitische Kontextbildungen – nur eben keine Werke.