Auf abenteuerliche Weise versuchten DDR-Bürger, an Literatur heranzukommen, die im Lande ausgegrenzt oder verboten war. Dabei ging es nicht nur um Bücher von Biermann, Bahro oder Orwell, sondern auch um Versandhauskataloge, Zeitschriften und Erotika. Bei den Schmuggelgeschichten aus dem „Leseland“ erfährt man, wie 4000 Broschüren in die Hohlräume eines Kleinbusses passen und wie man Bücher am besten in der Toilette eines Eisenbahnwaggons verstecken konnte. Zugleich geht es um die unwiderstehliche Anziehungskraft von Giftschränken in Bibliotheken und den Diebstahl von Westliteratur auf der Leipziger Buchmesse. Im vorliegenden Band berichten Bücherschmuggler und ehemalige Zolloffiziere, Dissidenten und Postkontrolleure der Stasi über ihre unterschiedlichen Erfahrungen mit unerlaubter Literatur. Buchwissenschaftler geben nach eingehenden Aktenanalysen und Zeitzeugenbefragungen überraschende Einblicke in eine Welt leidenschaftlicher Leser.
Siegfried Lokatis Knihy






Stand am Anfang der Geschichte des Luchterhand Verlags, dessen literarisches Programm mit so prominenten Autoren wie Günter Grass, Ernst Jandl oder Alexander Solschenizyn, Georg Lukács oder Herbert Marcuse aufwarten konnte, ein Fall von Arisierung, von Enteignung eines zumindest teilweise jüdischen Firmenbesitzes? Eine hochkomplizierte Unternehmensgeschichte unter dem NS- Regime und eine sich über mehr als zehn Jahre hinziehende gerichtliche Aufarbeitung in der Bundesrepublik der 50er Jahre deuteten darauf hin, und so stellte sich der Fall auch der Presse dar, die seit 2012 eine wissenschaftliche Untersuchung als dringend erforderlich erwies. Dieses Buch unternimmt nun die so lange entbehrte genaue Erforschung des Sachverhalts. Und siehe da: Ein Gerichtsdrama mit zahlreichen Wendungen, Überraschungen und Effekten wird zum Lehrstück: über Geschichtsschreibung jenseits von ideologischen Vorentscheidungen und Schwarzweißmalerei, jenseits von einfachen Täter- und Opferrollen, ein Lehrstück über das Wirtschaften in einem totalitären Staat, über Deutungshoheit und Moral.
100 Jahre Kiepenheuer-Verlage
- 320 stránek
- 12 hodin čtení
Vierzig Autoren stellen eine der spannendsten deutschen Verlagsgeschichten des 20. Jahrhunderts vor, die auf einzigartige Weise mehrere politische Systeme spiegelt. 1910 von Gustav Kiepenheuer gegründet, avancierte der Verlag in der Weimarer Republik mit Autoren wie Anna Seghers, Bertolt Brecht, Georg Kaiser, Joseph Roth und Arnold Zweig zu einem kulturellen Leitverlag, der für Expressionismus und Neue Sachlichkeit stand. Nach der Bücherverbrennung von 1933 gingen wichtige Lektoren ins Exil, Kiepenheuer versuchte sich im Land zu behaupten. Die Teilung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg spaltete auch den Verlag. Neben dem Stammsitz in Weimar entstand der Verlag Kiepenheuer & Witsch in Köln, und in Berlin nahm der Kiepenheuer Bühnenvertrieb seine Arbeit eigenständig auf. In Leipzig wurde unter Regie der SED 1977 die Verlagsgruppe Gustav Kiepenheuer (mit den Verlagen Insel, List und Dieterich) geschaffen, die nach der deutschen Einheit in den Strudel der Privatisierung geriet. Archivdokumente und historische Fotos, Texte von Buchwissenschaftlern, Germanisten und Kulturhistorikern sowie die Erinnerungen beteiligter Zeitzeugen verweben sich hier auf höchst unterhaltsame Weise zu einer gesamtdeutschen Geschichte.
Warum widmete Walter Ulbricht zehn Jahre lang seine knapp bemessene Freizeit parteigeschichtlichen Fragen? Hatte das Politbüro nichts Besseres zu tun, als über die Redaktion der Briefe Thälmanns zu beraten? Was stand dahinter, wenn Otto Grotewohls fünfbändige Geburtstagsausgabe an einer einzigen Fußnote scheiterte, und weshalb schmolz die Pieck-Ausgabe von fünfzehn Bänden auf sechs zusammen? Welche Geheimnisse verbargen sich hinter dem Streit um den richtigen »Charakter der Novemberrevolution«, was durfte man wann über Stalins »Personenkult« schreiben, und warum lautete die einzig richtige Reihenfolge »Karl und Rosa«? Im ideologischen Kernbereich der SED konnte jedes falsche Komma ein politischer Fehler sein und ein gestrichener Name einen Kurswechsel andeuten. »Der rote Faden« führt den Leser in ein untergegangenes Diskurs-Labyrinth, in dem parteigeschichtliche Texte sehr, sehr ernst genommen wurden. Im Mittelpunkt steht dabei die achtbändige »Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung« von 1966, eine mit einzigartigem Aufwand fabrizierte und verbreitete »Heilige Schrift« der SED.
Inzwischen wissen wir, dass die Bücher unsterblich sind. „Das Buch“ wandelt die Form und erneuert sich, solange Leser es lieben und immer wieder für sich entdecken. Nichts anderes geschieht in diesem Buch … Für jede Buchgeschichte stand das Problem, wie auf wenigen Seiten Autor und Buch, womöglich dessen Werk-, Übersetzungs- und Rezeptionsgeschichte zugleich, knapp, spannend und verständlich im historischen Kontext vorzustellen und dabei das Besondere, zur Lektüre Verführende herauszukitzeln sei. Und das möglichst auch noch auf eine originelle Weise, die den individuellen Zugriff des Verfassers spiegelt und so dem Leser Neues bieten kann: vielleicht die schwierigste Aufgabe, denn über die meisten der hier vorgestellten Werke war natürlich schon unendlich viel geschrieben worden. Wie heißt es in Fahrenheit 451? „Es gibt schlimmere Verbrechen, als Bücher zu verbrennen. Eines davon ist sie nicht zu lesen.“
Die Ordnung von Büchern ist aus buchwissenschaftlicher Sicht oft spannender als das Lesen selbst. Bücher können nach vielen Kriterien sortiert werden: nach dem Alter des Autors, dem Erscheinungsdatum, der Einbandqualität, dem Format oder sogar nach Zufallsprinzipien. Solange Bücher physisch vorhanden sind, müssen sie geordnet werden, um ihre Freude und Bedeutung zu bewahren. In einer zunehmend digitalen Welt drohen viele Bücher, die nicht aktiv gesucht werden, in Vergessenheit zu geraten. Einige Werke verdienen jedoch, von der nächsten Generation entdeckt zu werden. Die neuen Buchgeschichten, verfasst von Leipziger Bachelor-Studenten im KMW-Modul „Einführung in die Buchwissenschaft“, laden dazu ein, das Lesen zu genießen. Sie erfassen die besondere Atmosphäre des Lesens und die „Zeit zum Lesen“, die sowohl leicht als auch tiefgründig sein kann. Unter dem Motto „Zurück zum Buch“ konzentrieren sie sich auf das Original und dessen Verbreitung, nicht auf dessen Adaptionen in Film und Fernsehen. Ein Schwerpunkt liegt auf den „Inselbüchern“, die literarische Inseln wie Irland thematisieren. Zudem beleuchten die „Vagabunden“ die Erfahrungen von Autoren, die literarische Weltenbummler sind, und zeigen, was es braucht, um ein fesselndes Buch zu schreiben. Aristoteles und Zola sind noch nicht dabei – eine Fortsetzung ist in Aussicht.