Um einer soliden Obsession professionell nachgehen zu können, braucht man idealerweise jemanden, der einem dabei hilft: Durch Zufall kreuzen sich die Wege von Pharmavertreter Thomas Nebig und Museumsaufseher Andreas Geierhos. Die beiden freunden sich an, und es sieht so aus, als würde ihnen zu zweit die Verwirklichung ihrer geheimen, obsessiven Wünsche gelingen. Bis dunkles Misstrauen zwischen ihnen aufkeimt und alles aus dem Ruder laufen lässt. Zur gleichen Zeit schlägt sich Paul Nebig, Kunst-Journalist, mit seiner tiefen Verachtung des Bruders Thomas und dem Schreiben eines provokativen Magazinartikels herum. Ein schmerzhaftes Ereignis im Kino verhindert, dass er den Artikel beenden kann. Ein neuer Auftrag führt ihn mit seiner Frau Cornelia nach Italien – auf eine Reise, von der das Paar nur unvollständig zurückkehrt. Was wiederum die Eltern der Nebig-Brüder auf den Plan ruft: Man will Klarheit. Mit großer Fabulier- und Sprachlust hat Markus Mittmansgruber mit seinem zweiten Roman Austreibungen eine beeindruckende Erzählung über die boshaften Grauzonen des Lebens, über fixe Ideen, Irritationen und Triebe erschaffen. Und über die Menschen, die diese sehnsüchtig und bis zum bitteren Ende aneinander austragen.
Markus Mittmansgruber Knihy



Eine existenzielle Verfallsgeschichte ist immer auch eine körperliche Verfallsgeschichte. In zwei miteinander verknüpften Erzählsträngen berichtet Markus Mittmansgruber in seinem Debütroman Verwüstung der Zellen vom Niedergang einer Familie. Der Vater, gezeichnet von schwerer, degenerativer Krankheit, spricht seinen Nächsten unter Selbstmorddrohung das Recht auf weitere Besuche ab. Während die Mutter dieses Gebot bedingungslos zu akzeptieren scheint und sich zunehmend isoliert, wird der Sohn von Phantomgeräuschen und Angstgefühlen geplagt; er vermutet ein großes, unausgesprochenes Familiengeheimnis und macht sich auf die Suche ... Sprachlich prägnant und ungerührt zeigt Mittmansgruber nicht nur die familiären Verwerfungen der Protagonisten auf, sondern hinterfragt – vor allem durch die Einführung eines Wiedergängers, der als tatsächliche oder metaphorische Figur gelesen werden kann – Brüche und Verödungen in unserer heutigen Gesellschaft.
Wissenschaftliche Diskurse neigen dazu, ein Ende auszurufen und die Apokalypse zu beschwören. Doch welche Strategien versuchen, der Unabschließbarkeit und dem unkontrollierbaren „Ereignis“ zu begegnen? Die Antwort liegt bei den „Gespenstern“. Der enge Zusammenhang von „Gastlichkeit“ und „Gespensterlehre“ verunsichert die klassischen Dichotomien von Präsenz und Abwesenheit, von lebendigen und toten Körpern. Die „Gespenster“ als wiederkehrende Tote fungieren sowohl als „Gast“ als auch als „Gastgeber“ der Überlebenden. In Anlehnung an Jacques Derrida und das „Gespenst der Dekonstruktion“ erhält die unheimliche Spektralität durch ihre anwesende Abwesenheit besondere Bedeutung. Gleichzeitig zeigt Mittmansgruber, wie Jean-Luc Nancys Existenzial des „Mit-ein-ander-sein“ ein grundlegendes, körperliches Verhältnis zum Anderen eröffnet und sich im Modus der Freundschaft als „Mit-ein-ander-sein zum Tode“ manifestiert. Diese Beziehung der Überlebenden zu ihren Toten und deren möglicher Wiederkehr bleibt jedoch alles andere als harmonisch, da die Lebenden nicht über den „Eigen-sinn“ der Toten verfügen können. Dies ist ein Plädoyer für ein gelassenes Wieder-kommen- und Gehen-lassen der gespenstischen Kräfte sowie für eine ursprüngliche Affirmation dessen, was als das Unantizipierbare noch kommen oder wiederkommen wird.