Wenzel. Roman
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Ein Altersheim, unzählige Einzelzimmer. Im Sessel vor dem Fenster träumt Herr Strub von seiner Zeit als Fremdenlegionär in Saida. Frau Zürcher legt sich nach dem Frühstück gleich wieder ins Bett, liest einen Kioskroman nach dem anderen und lebt von Liebe, Linzertörtchen und Lindenblütentee. Mit dem Leben längst abgeschlossen hat Frau Herger; zum Glück hat sie ihren Kummer. Womit sollte sie sich sonst den ganzen Tag beschäftigen? Frau Knobel sagt über sich selbst: Gearbeitet habe ich immer, meistens im Büro, verheiratet war ich nie, bin also immer noch zu haben. Und Sepp kann es nicht fassen, dass ihm dieses Weib vom Verein Frohes Alter zu seinem Neunzigsten keine Flasche Wein geschenkt hat. - Nur eines scheint gewiss: Widersprüche und Sehnsüchte, Heiterkeit und Trauer gehören zum Leben. Und erst mit dem Tod endet die Suche nach jener besseren Welt.
Mit farbigen Zeichnungen von Jakob Was der Vater beim Hüten seines Sohnes erlebt, verwirrt ihn: Jakob scheut sich, seinen eigenen Bauchnabel anzuschauen. Er hat Angst vor Delphinen, ob in einem Tierlexikon oder in Form eines Luftballons. Beim Anfassen von Tomaten und Gurken muss er sich übergeben. Stürzt er beim Laufen, so weint er nie. Am Morgen, nach dem Erwachen, reisst er im Schlafzimmer aus lauter Freude die Vorhänge herunter. Oder dreht sich mit ausgebreiteten Armen im Kreis. Er liebt Lastwagen und Autos über alles, und also auch das stundenlange Stehen an Strassenkreuzungen. Was ihn beschäftigt, zeichnet er mit seinen Händen in die Luft, macht dazu Geräusche, die hin und wieder an Worte erinnern. Die wildesten Katzen hören auf seine Stimme und liegen ihm zu Füssen. Schon wenige Monate nach der Geburt wird die Ärztin sagen, etwas stimme nicht, Jakobs Kopf sei zu klein. Drei Jahre später die Diagnose: terminale Deletion 13q, eine seltene Genmutation, die genauso rätselhaft tönt, wie sie sich die ganze Zeit zuvor schon geäussert hat. Mit seiner Eigenwilligkeit führt das Kind den Vater mitten ins Leben – und oft dorthin, wohin er nicht will. Ja, Jakob, sagt der Vater eines Tages zu seinem Sohn, so, wie du bist, ist es gut: Du bist meine Leiter zum Himmel! Die Texte von Christoph Schwyzer umfassen die ersten fünf Lebensjahre von Jakob. Sie schliessen sich zu einem ergreifenden, in unzähligen Farben leuchtenden Porträt seines Sohnes zusammen. Sie folgen aber auch der Spur, wie sich zwei Menschen, die sich gegenseitig nicht ausgesucht haben, sondern einander geschenkt wurden, in ihrer Eigenart verstehen und lieben lernen. Ein Buch, das sich nicht scheut, von Widersprüchen und von Verzweiflung zu erzählen. Ein Buch auch, das sich dem Geheimnis eines Menschen nähert, ohne es je lüften zu wollen. Und ein Geschenk an die Mutter, die Tag für Tag für Jakob da ist.
Josef Zgraggen wandert 1920 aus der Schweiz in die USA und pachtet eine Farm nahe Los Angeles. 1928 wird Lina geboren, doch das Glück währt nicht lange: Der gesamte Viehbestand erkrankt, und der Vater hat nicht genug Geld, um neu zu beginnen. Die Familie kehrt nach Erstfeld zurück und lebt auf dem Riedberg, wo Lina eine arme Kindheit verbringt. Der Schulweg dauert im Winter bis zu drei Stunden, und in der Holzhütte leben 11 Kinder, während im Stall nur ein paar Geissen sind. Der Vater verliert seine erste und zweite Frau, beide sterben im Kindbett, und schließlich wird auch er schwer krank. Die Kinder sind auf sich allein gestellt, betteln um Brot und verkaufen im Sommer Alpenrosen. Als junge Frau arbeitet Lina in Restaurants und heiratet 1951 den Landwirt Alois Huber, mit dem sie zehn Kinder bekommt. Nach dem zehnten Kind sagt sie: „Jetzt ist Schluss!“ Denn drei ihrer Kinder leiden an Epidermolysis Bullosa (EB), einer genetischen Hautkrankheit, die ständige Pflege erfordert. Lina verbringt vier bis fünf Stunden täglich mit der Pflege ihrer Kinder, die unter unerträglichem Leiden und später an Hautkrebs sterben. Nach dem Krebstod ihres ersten Mannes heiratet sie 1976 erneut und fragt sich, wie man als Mutter so viel ertragen kann. Ihr Vertrauen zu Gott und das Gefühl einer Pflicht zum Leben geben ihr Kraft.
Lina Fedier. Über Schneestürme, Schmetterlingskinder und Gottvertrauen