Die politisch-ökonomische »Diesseitsreligion« des russischen Realsozialismus hat sich 1990 von der Bühne der Geschichte verabschiedet. Nicht verabschiedet haben sich die Motive der Kapitalismuskritik: die systemischen Krisen, das Elend, der Hunger, das System maßloser Verschuldung. Fünf zentrale Fragestellungen lassen sich hieraus ableiten: nach den religiösen und theologischen Figuren der Ökonomiekritik im 19. und 20. Jahrhundert; nach dem Zusammenhang von Religion und Ökonomie; nach der Bedeutung und Tragfähigkeit der Säkularisierung angesichts der religiösen Implikationen sowohl der kapitalistischen Ökonomie als auch ihrer sozialistischen Kritik; nach der Bedeutung des Sakralen und Profanen in der bürgerlichen Moderne; nach der Religiosität der kommunistischen Bewegung, ihrer Heilserwartungen, politischen Kulte und Liturgien.
Thorben Päthe Knihy



Literatur hat seit der Aufklärung in den öffentlichen Debatten ganz wesentlich zur Erkundung, Kritik und Legitimierung von Institutionen beigetragen. Im Anschluss an die äußerst produktive Forschung zur Gattung des „Institutionenromans“, wie er sich während der klassischen Moderne bei Autoren wie Robert Walser, Franz Kafka und Robert Musil auf paradigmatische Weise herausbildet, soll dieser Sammelband das Verhältnis von Literatur und Institution in einem möglichst weit gesteckten diskurs- und gattungsgeschichtlichen Kontext neu auf den Prüfstand stellen. Mit Beiträgen von Benjamin Bühler, Rüdiger Campe, Rupert Gaderer, Anja Gerigk, Ulrich Kinzel, Andrea Krauss, Karin Krauthausen, Johannes Lehmann, Clemens Pornschlegel, Patrick Primavesi, Adrian Robanus, Mareike Schildmann, Marcus Twellmann und Martina Wernli.
Vom Gastarbeiter zum Kanaken
Zur Frage der Identität in der deutschen Gegenwartsliteratur
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Die Frage der Identität ist eines der zentralen Themen in der deutschen Literatur. In literarischen Texten wird sie im Spannungsfeld von Selbstwahrnehmung und Fremdzuschreibung reflektiert, konstruiert oder auch subvertiert. Noch in der Gegenwartsliteratur verschwindet die Frage fester Identitätszuschreibungen nicht, auch wenn das Gelächter der Postmoderne sie nachdrücklich – gemeinsam mit dem Nationalstaat – zu verabschieden sucht. Vor dem Hintergrund der Migrationsprozesse und -geschichte stellt sie sich mit neuer Dringlichkeit. Davon zeugen die Werke Aras Örens, Zafer Senocaks oder Feridun Zaimoglus. Achtzehn Jahre nachdem der „Kanake“ in 1995 Zaimoglus Kanak Sprak die literarische Bühne und die feuilletonistische Öffentlichkeit betreten hat, hat er sich einen Platz im Kanon der deutschen Literatur erobert. Eine Bestandsaufnahme.