Die von Améry zum Zeitgeschehen verfaßten Kommentare und Analysen sind wegen ihrer gedanklichen Schärfe und stilistischen Brillanz heute noch lesenswert – und die wichtigsten von ihnen hat Stephan Steiner für diesen Band neu gelesen und kommentiert. Sie greifen Fragen der deutschen und internationalen Nachkriegsgeschichte auf: die der Nachwirkungen der NS-Epoche, des Antisemitismus- Problems und der politischen Nachkriegsordnung. Améry hat über Gewalt, über die Anziehungskraft radikaler Bewegungen nachgedacht, über die heimatlose Linke, und früh schon taucht in seinen Analysen die Frage des politischen Terrorismus auf. Die stupende thematische Vielfalt der Publizistik Amérys macht diesen Band zu einem Kompendium der deutschen Nachkriegsgeschichte – und sie zeigt einen etwas anderen Améry: »Hier erscheint er als aktivistisch, den Puls der Zeit fühlend, nicht selten hoffnungsgeladen. Zwischen dem aus Auschwitz Befreiten und dem Toten von Salzburg liegen immerhin 30 Jahre, in denen gelebt, debattiert und auch gekämpft wurde« (Steiner). Radikaler Humanismus ist der Maßstab dieser aufregend aktuellen Texte.
Stephan Steiner Knihy






Als Kaiser Franz Joseph abgesetzt werden sollte
Das Schickfalsbuch
\"Das Reich Gottes hier in Wien\"
- 213 stránek
- 8 hodin čtení
In einer Zeit massiver Verfolgung des Protestantismus im Habsburgerreich wurden Kapellen in den Gesandtschaften Danemarks, Schwedens und der Niederlande zum Zufluchtsort fur ein zaghaftes evangelisches Leben im (fast ausschliesslich) katholischen Wien. Der Grundstein fur eine Subkultur war gelegt. Trotz der harten Verfolgungsmassnahmen, die in der Habsburgermonarchie wahrend der Fruhen Neuzeit gegen den Protestantismus angewandt wurden, gab es seit dem Ende des 17. Jahrhunderts ausgerechnet in der Haupt- und Residenzstadt Wien drei Orte, an denen evangelische Prediger ihre Funktionen vollkommen legal ausuben durften. Die Gesandtschaften Danemarks, Schwedens und der Niederlande unterhielten in ihren Raumlichkeiten namlich sogenannte Legationskapellen, die zu protestantischen Enklaven wurden. Die danischen und schwedischen Predigerposten wurden zudem seit den 1720er Jahren beinahe ausschliesslich mit Pietisten hallescher Pragung besetzt, welche die Religionspolitik im gesamten Habsburgerreich aufs Genaueste beobachten und ihre Netzwerke fur zahlreiche Interventionen nutzten. Der Handlungsspielraum, Aktionsradius und Erfindungsreichtum der Prediger und ihres "Soziotops" wird fur die Regierungsjahre Kaiser Karls VI. in diesem Band zum ersten Mal im Detail dargestellt.
Rückkehr unerwünscht
- 658 stránek
- 24 hodin čtení
Für die Historiographie der Habsburgermonarchie stellt die systematische Erforschung des Themenkomplexes „Deportation“ völliges Neuland dar. Während die Zeitgeschichte Deportationspraktiken so behandelt, als wären sie ausschließlich eine Begleiterscheinung der totalitären Systeme des 20. Jahrhunderts, ergibt die Rekonstruktion ihrer „Frühgeschichte“ ein vollkommen anderes Bild: als Instrument der Bestrafung, der Machtdemonstration und der Bevölkerungspolitik wurden sie im Habsburgerreich bereits im 18. Jahrhundert weitreichend und mit erschreckender „Modernität“ angewandt. Anhand von acht Fallbeispielen entsteht eine Gesamtgeschichte, die auch den europäischen Rahmen einbezieht und einen unverzichtbaren Baustein zu einer Gewaltgeschichte der Habsburgermonarchie darstellt.
Stephan Steiner präsentiert eine historisch-biographische Studie zu Leo Strauss, in der er die Kontexte und Genese seiner Politischen Philosophie sichtbar macht. Neben der Verortung in den Konstellationen der Weimarer Republik ist dafür der Blick auf die Transformation von Strauss' philosophischer Position in den USA entscheidend. An dessen Verhältnis zu Wissenssoziologie, Historismus und dialektischer Theologie zeigt Steiner, wie Strauss eine spezifisch deutsche Kritik der Moderne nach Amerika brachte, die er während der ersten Jahre in New York ausarbeitete. Um dies im Detail zu verfolgen, werden Strauss' Offenbarungsverständnis, seine Historismuskritik sowie die philosophiehistorischen Voraussetzungen seines Antikebildes rekonstruiert. Anstelle philosophischer Einheitserzählungen und autobiographischer Selbstinszenierungen wird darin die Erfahrungsgeschichte von Strauss' Denken lesbar gemacht.
Hans Maier hatte Auschwitz überlebt, aber nicht überstanden. Der Schriftsteller Jean Améry, wie sich Hans Maier seit Mitte der fünfziger Jahre nannte, beging 1978 in einem Salzburger Hotel Selbstmord. Die Folterpraxis hat der österreichische Jude und Widerstandskämpfer in Belgien am eigenen Leib erlitten. Das spürt der Leser aus jedem Satz seiner Theorie der Tortur: „Jenseits von Schuld und Sühne“. Dem Altern und Sterben machte der trotzig-traurige Aufklärer Améry den Gedankenprozeß, und die Freiheit zum Tod klagte der Melancholiker vor dem Tribunal der Öffentlichkeit mit dem Plädoyer „Hand an sich legen“ ein. Er war ein philosophischer Kopf und doch kein Philosoph im strengen Verständnis. Darum wurde der stets nachdenkliche Autor unter seinen Zeitgenossen zum Essayisten schlechthin. Ein Symposion 1992 in Wien sollte an den politischen Literaten und Kritiker von Rang erinnern. Der von Stephan Steiner edierte Sammelband vereinigt aufschlußreiche Beiträge. Träger klingender Namen zollen darin dem Toten Tribut: Imre Kertész ebenso wie Jakov Lind, Frederic Morton, Jan Philipp Reemtsma und Robert Schindel.
Die stationäre Psychotherapie ist seit mehr als zwei Jahrzehnten eine etablierte Behandlungsform für psychisch kranke Menschen. Sie stützt sich auf die von den milieutherapeutischen Pionieren Jones und Heim konzipierten Grundsätze. Angesichts der sich gegenwärtig wieder mehr ausbreitenden biologischen Psychiatrie, die ohne Zweifel ihre Verdienste hat, müssen wir uns fragen, ob die Bemühungen, psychotherapeutisches Gedankengut in den Kliniken zu realisieren, eine Episode war. In den vorliegenden, praxisbezogenen Referaten spiegelt sich der aktuelle Stand der stationären Psychotherapie.