Judith hat als femme fatale spektakuläre Auftritte in der Kunst der Neuzeit; im Mittelalter ist sie unter anderen Vorzeichen bekannt. Hier geht es um exemplarische Keuschheit und triumphierendes Gottvertrauen. Der Judithstoff wird zum Ausgangspunkt für drei zentrale Epochen von Bibeldichtungen. So profilieren die „Ältere“ und die „Jüngere Judith“ die frühmittelhochdeutsche Literatur und die „Judith von 1254“ eröffnet die für den Deutschen Orden geschriebenen Dichtungen. Nach Luthers Empfehlung, das apokryphe Buch als beispielhafte Tragödie zu lesen, wird die biblische Judithüberlieferung schließlich zum beliebtesten Propagandastoff des Dramas von der Reformation bis zu Opitz. Das Textkorpus eröffnet damit Perspektiven auf die Bedingungen volkssprachigen Schreibens in gruppenspezifischen Literaturen vom 12. bis 16. Jahrhundert.
Henrike Lähnemann Knihy






Liebe, Politik und Alltag in mittelalterlichen Frauenklöstern Frauen, die im Mittelalter im Kloster lebten, waren keineswegs »unerhört« im Sinne von wirkungslos, im Gegenteil. Ihre Gemeinschaften waren oftmals mächtige Institutionen, und sie sahen sich selbst in einer höchst einflussreichen Position, da sie durch ihre Lebensform wie niemand sonst das Ohr des »höchsten Königs« hatten. Dass Gott sie erhörte, war auch die Überzeugung der mittelalterlichen Gesellschaft und verlieh den geistlichen Frauen einen besonderen Status, der sich nicht nur politisch, wirtschaftlich und kulturell manifestierte, sondern es ihnen auch erlaubte, unerhört wirksam zu werden. Warum wissen wir heute so wenig über das Leben im mittelalterlichen Frauenkloster? Weil die Forschung bislang fast ausschließlich auf männliche Autoren zurückgreifen konnte. In »Unerhörte Frauen« aber kommen die Nonnen erstmals selbst zu Wort: Aus ihren Tagebüchern und Briefen erfahren wir, wie die Frauen dachten, glaubten und liebten. Henrike Lähnemann und Eva Schlotheuber geben einen faszinierenden Einblick in das Leben in Klausur - damals wie heute eine Option für Frauen, die Unerhörtes leisten.
Lehren, Lernen und Bilden in der deutschen Literatur des Mittelalters
XXIII. Anglo-German Colloquium, Nottingham 2013
Die Weitergabe von Wissen und Fertigkeiten ist ein Kernbereich mittelalterlicher Lebenswirklichkeit. Die deutsche Literatur kann dabei entscheidende Einblicke geben, wie sich das Feld des Lehrens, Lernens und Bildens vom 8. bis 16. Jahrhundert entwickelt. Theoriegeleitetes Wissen und praxisbezogene Handlungsanweisungen werden nicht nur in im engeren Sinne didaktischen Texten vermittelt. Lehrhaftes Sprechen und der Anspruch, lêre und bilde zu bieten, ist ein Grundprinzip auch der erzählenden Texte, der Lyrik und der Spiele. Die hier versammelten Beiträge des XIII. Anglo-German Colloquium in Nottingham (2013) geben somit einen faszinierenden Einblick in das ganze Spektrum mittelalterlicher Wissensvermittlung im Spannungsfeld schriftlicher und mündlicher Traditionen.
Dichtung und Didaxe
Lehrhaftes Sprechen in der deutschen Literatur des Mittelalters
- 494 stránek
- 18 hodin čtení
Der Band „Dichtung und Didaxe“ stellt anlässlich der Neuausgabe von Johannes Rothes „Ritterspiegel“, hg. von Christoph Huber und Pamela Kalning (de Gruyter 2009), die Frage nach lehrhaftem Sprechen in der deutschen Literatur des Mittelalters. Als umfangreichste ritterliche Standeslehre des Mittelalters, die eine Vielzahl von Quellen rezipiert und verarbeitet, bietet der „Ritterspiegel“ ein Paradebeispiel der Verbindung von Dichtung und Didaxe. Ausgehend davon werden grundlegende Aspekte lehrhaften Sprechens in zentralen Texten des 12. bis 15. Jahrhunderts beleuchtet. In den 30 Beiträgen renommierter internationaler Germanisten werden Texte vom Minnesang bis hin zu Rechtsbüchern, vom „Tristan“ Gottfrieds von Straßburg bis zur spätmittelalterlichen Erbauungsliteratur auf ihre Lehrhaftigkeit hin untersucht und in ihrer didaktischen Strategie neu positioniert; so kehrt das lange vernachlässigte Genre der Lehrdichtung in den wissenschaftlichen Diskurs zurück. Darüber hinaus eröffnet der Band eine grundlegend geänderte Sichtweise auf die Funktionszusammenhänge mittelalterlicher deutscher Literatur und entwirft ein konsistentes Gesamtbild der Literatursituation des ausgehenden Mittelalters.
Die um 1060 entstandene 'Expositio' ist eine der wirkmächtigsten Hoheliederklärungen des deutschen Mittelalters in lateinischen Versen und althochdeutscher Prosa. Besonderes Interesse fand sie bisher als frühes Denkmal deutscher Schriftsprache, was sich in vorausgegangenen Editionen widerspiegelt, die entweder das durchdachte Layout des Textes auflösen oder eine handschriftliche Überlieferung detailliert abbilden. Diese Ausgabe möchte die 'Expositio' für ein breiteres Lesepublikum mit literatur- und geistesgeschichtlichen Interessen erschließen. So behält sie das dreispaltige Layout in Original und Übersetzung bei. Der Originaltext selbst wird behutsam in Orthographie und Zeichensetzung normalisert. Die Apparate bieten die wichtigsten Lesarten, den inhaltlich zugrunde liegenden Hoheliedkommentar Haimos von Auxerre ebenso wie Hinweise auf zusätzliche Quellen.