Findelkind
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Ich wurde 1916 in Wien geboren. Wir waren drei Kinder, jedes von uns hatte einen anderen Vater. Auf mich schien meine Mutter keinen besonderen Wert zu legen. Sie gab mich dem Mann, der nach ihren Angaben mein Vater sein sollte und der sie schon länger heimlich mit Lebensmitteln von der kleinen Landwirtschaft seiner Frau versorgte, einfach mit. Er solle mit mir machen, was er wolle. Mich in einen Rucksack gepackt, fuhr er mit mir aufs Land. Der Zug pfiff laut, und ich weinte, weil Mutter mich dem fremden Mann mitgegeben hatte. Sie war nicht einmal bis zum Bahnhof mitgegangen. Auch meine Geschwister weinten und verstanden das grausame Handeln der Mutter nicht. Wie oft in meinem Leben dachte ich, daß diese Frau das Wort mutter nicht verdiente. Ich haßte sie von diesem Tag an, bis ich sie mit zwanzig Jahren, wenn auch nur für eine Stunde, wieder sah. Ich saß im Zug, der mich von meinen Geschwistern und der kleinen Zweizimmerwohnung wegbrachte. Ich hatte noch keine Ahnung davon, wie grausam das Leben sein konnte und was mir noch alles bevorstand. Erst am Bahnhof nahm mich der Mann aus dem Rucksack. Er schleppte mich durch die vollgestopften Waggons, bis wir endlich einen Platz fanden. Der Zug fing an zu rucken und setzte sich in Fahrt. Draußen zogen die Häuser, die ich von den Spaziergängen mit der Mutter und meinen Geschwistern kannte, an mir vorbei. Ich sah alles nur sehr verschwommen, weil meine Augen voller Tränen waren. Vor Erschöpfung und durch das gleichmäßige Rütteln des Zuges mußte ich eingeschlafen sein.