Deutschland als Gedicht
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Das Jahr 1989/90 ist das erste annus mirabilis der deutschen Geschichte, auf das die Deutschen – verglichen mit den Jahren um 1813, um 1848, mit 1870/71 und 1914 – nicht mit einer Flut patriotischer Gedichte reagiert haben. Das ist ein gutes Zeichen, ein Zeichen dafür, daß die poetische Deutschland-Sprache, wie sie sich seit fünf Jahrhunderten zunehmend verformelt und bis zum chauvinistischen Kulminationspunkt der Hitler-Diktatur verschärft hat, an ein unwiderrufliches Ende gekommen ist. »Deutschland als Gedicht« in repräsentativen und kollektiven Wunschträumen und Drohgebärden, in Satiren und Schreckensvisionen wird es im nächsten Jahrhundert nicht mehr geben. Der germanische Sturm- und Schlachtengott Wotan, der in so vielen Deutschland-Gedichten braust und rumort, hat seine Kraft über die Deutschen verloren. Das Buch analysiert und veranschaulicht im Rückblick diese nationale poetische Sprachgeschichte, um das immer noch schwierige Deutschland-Gespräch – wie rede ich über Deutschland, ohne mich in unabsehbare Verstrickungen hineinzureden – von alten Erblasten befreien zu helfen.