Der Gourmand, der Bourgeois und der Romancier
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Das 19. Jahrhundert gilt Kulturhistorikern als das goldene Zeitalter der französischen Esskultur, nicht zuletzt weil die bürgerliche Gesellschaft gastronomische Standards schafft, die bis heute zur weltweiten Vorrangstellung der französischen Tafelkultur beitragen. Das gute Essen, die „bonne chère“, wird in der postrevolutionären Gesellschaft mit dem modernen Begriff der „gastronomie“ bezeichnet (dt. etwa „feine Esskultur“) und avanciert zu einem Lebens- und Wissensbereich, dem nunmehr die doppelte Weihe einer „art“ und einer „science“, künstlerischer Ästhetik und wissenschaftlicher ratio verliehen wird. Diese Theoriebildung, die die Entstehung der neuen bürgerlichen Genusskultur mit ihren „grands restaurants“ und „dîners priés“ begleitet, schlägt sich in einer umfangreichen „littérature gastronomique“ nieder und drückt sich auch in der Erzählliteratur der Epoche aus, in der Romanciers wie Balzac, Flaubert, Zola und Maupassant dem modernen Gastromythos in zahllosen Mahlzeitenbeschreibungen Tribut zollen. Die Kennzeichen dieser modernen Esskultur werden von den Romanciers in z. T. identifikatorischer Haltung, z. T. aber auch in desillusionistischer Sicht abgebildet, indem sie den zeitgenössischen „discours gastronomique“ in ihre Werke aufnehmen und in spezifischer Weise weiterentwickeln, so daß die Mahlzeitenbeschreibungen der Erzählliteratur als literarischer Beitrag zur Diskussion über die französische „gastronomie“ gewertet werden können.