Auslandskorrespondenten in Polen
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Täglich finden wir in den Medien die verschiedensten Berichte über andere Länder. Doch wer dahinter steht und welche Prozesse ablaufen, bevor ein Bericht über ein anderes Land in den Medien erscheint, darüber weiß man wenig. Die Inhalte internationaler Berichterstattung sind relativ gut erforscht. Auslandskorrespondenten gelten jedoch nach wie vor als ‚unbekannte Wesen‘ in der Kommunikatorforschung, die sich mit Journalisten und ihrem Berufsverständnis befasst. Die Position der Auslandsberichterstatter legt die Vermutung nahe, dass sie wesentlich entscheiden, welche Bilder anderer Länder uns in den Medien präsentiert werden. Aber der Prozess, in dem mediale Aussagen über andere Länder zustande kommen, ist von zahlreichen Faktoren geprägt. Wie die Rolle, die Auslandskorrespondenten in ihrem Beruf spielen sollen bzw. spielen möchten mit ihrer Arbeitsrealität zu vereinbaren ist, beleuchtet Annette Siemes in ihrer Studie, die an der Sektion für Publizistik und Kommunikationswissenschaft der Ruhr-Universität Bochum entstand. Als besonders interessantes Beispiel betrachtet die Autorin die Korrespondenten deutscher Medien in Deutschlands Nachbarland und dem EU-Beitrittskandidaten Polen. Das Buch bietet zur Einführung einen kurzen Überblick zur Forschung über Auslandsberichterstattung und Auslandskorrespondenten und erläutert, welche theoretischen und methodischen Überlegungen hinter der Studie stecken. Dies bildet die Grundlage für eine teilstandardisierte Befragung (quantitativ-qualitativer Methodenmix), in der die Polen-Korrespondenten über ihre Ansichten zu Aufgaben und Ziel der eigenen Arbeit interviewt wurden. Außerdem befragte die Autorin die Korrespondenten über die Kontakte zwischen ihnen und den Abnehmerredaktionen in Deutschland – denn die Korrespondenten entscheiden nicht alleine, was für Berichte über Polen in die Medien gelangen. Die Mehrheit der Korrespondenten lehnt sich zwar an das gegenwärtig favorisierte Bild von Auslandskorrespondenten als ‚Kulturdolmetscher‘ an. Doch sehen die meisten nur geringe Chancen, diese Rolle im Geflecht eines Mediensystems zu erfüllen, in dem Aktualität, Platzmangel u.ä. die Auswahl und Bearbeitung von Nachrichten mitbestimmen. Und auch die Interessen der Abnehmerredaktionen in Deutschland werden vielfach von pragmatischeren Anforderungen als dem hehren Ziel von Nachbarschafts- oder Kulturvermittlung gelenkt. So setzen die Nachrichtenagenturen Themen auf die Tagesordnung der Berichterstattung und erhöht z. B. der Bezug eines Themas zu Deutschland die Chance auf Veröffentlichung. Die Rolle, welche die Korrespondenten in diesem Geflecht spielen, ist lange nicht so machtvoll, wie der erste Blick glauben lässt. Sie kennen aber die ‚Spielregeln‘, nach denen Auslandsberichterstattung entsteht, und können versuchen, in ihrem Interesse auf den Entstehungsprozess einzuwirken. Die Studie kann helfen, Berichterstattung über andere Länder als medial geschaffene‚ Realität‘ zu begreifen, die unter Einfluss von Gesetzmäßigkeiten zustande kommt, welche nicht oder nicht primär an sachliche, landesbezogene Inhalte gebunden sind. Das Buch bietet durch die bereit gestellten Einblicke ‚hinter die Kulissen‘ für all jene einen Kompass sowie Denkanstöße, die sich häufig mit Medienberichten über andere Länder beschäftigen.