Landschaft in neuer Bestimmung
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Das Buch ist ein Plädoyer für mehr Natur. Am Beispiel der verlassenen russischen Truppenübungsplätze in Brandenburg thematisiert es früher vom Militär benutzte Landschaften als Naturreservate. Das scheint im ersten Moment ungewöhnlich zu sein. Wo hochgerüstete Armeen in einem nur ihnen zugestandenen Reich tagein tagaus die Vernichtung von Leben und Lebensgrundlagen übten, welche Chancen blieben und bleiben dort noch der Natur? Bald nachdem ihnen durch den plötzlichen Wandel in der Ost-West Politik der Schleier des Verbotenen und Unbekannten genommen war, wurden die russischen Truppenübungsplätze im Osten Deutschlands berühmt. Nirgendwo, so nimmt es den Anschein, sind Gut und Böse so dicht beieinander wie hier – ein Erbe Milliarden verschlingender Armeen. Es sind die durch Panzer, Granaten, Bomben und Brände ihrer natürlichen Pflanzendecken weitgehend beraubten Zwecklandschaften der Militärs. Dort blieb eine Fülle kaum zu erahnender Hinterlassenschaften an lebensgefährdenden Blindgängern in zerstörten Böden, Resten von Kampfstoffen, Kriegsgerät und Munition. Doch erstaunlicherweise finden sich hier auch im dicht besiedelten Mitteleuropa selten anzutreffende Biotope in ungekannter Dimension: arme Heiden und Moore, ohne unser Zutun gewachsene Wälder und vom Tourismus und anderen Nutzungen über Jahrzehnte verschont gebliebene Seen. Heute, in der durch Uniformierung der Landschaften gekennzeichneten Zeit, bergen sie für uns eine erstaunliche, weil wenig gekannte Vielfalt der Fauna und Vegetation. Darüber hinaus vermitteln sie bereits nach nur wenigen Jahren Brache die Faszination von biologischer Automation – einen Hauch von 'Wildnis' und Unberechenbarem in unserer hochtechnisierten und von Standards beherrschten Zivilisation. In Wort und Bild ist das Buch der Versuch einer Dokumentation dieser zwiespältigen und oft missgedeuteten Areale aus landschaftsökologischer Sicht nach dem Abzug der sowjetischen Truppen aus Deutschland in den neunziger Jahren. Schon hat sich ihr Gesicht erheblich gewandelt. Welche Zukunft erwartet diese brachliegenden, wunden und ungewöhnlichen Ländereien? Was müssen wir – vielleicht sogar als ewige Lasten und Bürde – mit in die Zukunft nehmen von all den Hinterlassenschaften der Armeen? Für einen wahrhaftigen Naturschutz in Deutschland sind die verwaisten Truppenübungsplätze, trotz der oft schwerwiegenden Landschaftsschäden, eine großartige und nie mehr wiederkehrende Chance! Sie sind Lehrstätten und Herausforderung zugleich, völlig neue Wege im Naturschutz zu gehen. Denn ganz ohne unsere lenkende Hand könnten hier – quasi im Selbstlauf – schon sehr bald ungekannte Wildnisgebiete entstehen, in denen wir und die Generationen nach uns nur noch Zuschauer und Lernende sind. Die Frage ist nicht, ob wir uns ein so kühnes Experiment leisten können, sondern ob wir es überhaupt wollen. Mit Zurückhaltung und der Bereitschaft auf Verzicht und mit dem Mut zu weisen Entscheidungen liegt es jetzt allein an uns, auf den brachliegenden Schlachtfeldern im Hinterland des Kalten Krieges ganz schlicht und einfach Natur Natur sein zu lassen – Frieden einkehren zu lassen, auch für die Natur. Noch ist es nicht zu spät, und sollte es gelingen, wenigstens einen der früheren Truppenübungsplätze ohne Wenn und Aber in Gänze der Natur zurückzugeben, wäre der erste Schritt auf einem neuen hoffnungsvollen Weg getan. Horst Beutler Autor