Koeppen - Andersch - Böll
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Die Charakterisierung boshafter Nazifiguren als homosexuell hat sich seit Ende der zwanziger Jahre innerhalb der Linken und des antifaschistischen Exils als Stereotyp eingebürgert. Bis in die Gegenwart werden Homosexualität, Männerbünde und Faschismus miteinander in Verbindung gebracht. Sehr im Gegensatz zu dieser fragwürdigen Unterstellung haben die Nationalsozialisten Homosexualität mit brutalen Mitteln verfolgt, und das von ihnen geprägte negative Bild des Homosexuellen wirkt im Bewusstsein der Nachkriegsgesellschaft fort. So kann es kaum verwundern, dass die Literatur der fünfziger Jahre das Thema Homosexualität und homosexuelle Figuren für unterschiedlichste Arten von Vergangenheitsbewältigung aufgreift. Gary Schmidt legt erstmals eine Bestandsaufnahme zu dieser Thematik vor: Während Böll insbesondere in seiner Erzählung „Der Zug war pünktlich“ Homosexualität mit dem Nazi-Staat identifiziert und als Bedrohung der heilen Familie und ‚gesunder' Vater-Sohn-Beziehungen darstellt, benutzt Koeppen Homosexualität gerade dazu, dem Versagen der Familie als Keimzelle des Staates den Außenseiter gegenüberzustellen, der sich nicht auf den Nationalsozialismus eingelassen hat. Alfred Andersch schließlich reproduziert zunächst in seinem Roman „Die Rote“ das negative Klischee vom charakterlosen schwulen Verräter und Weichling. In „Winterspelt“ thematisiert er erstmals auch Homosexuelle als Opfer des Nationalsozialismus.