Transgressionen
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Die Literaturwissenschaften begnügen sich seit längerem nicht mehr mit immanenten Analysen dichterischer Texte. Vielmehr stellen sie die Frage nach dem Ort und der Funktion literarischer Diskurse im Prozeß der Zivilisation, nach dem Verhältnis der Literatur zu sprachlichen, bildlichen und pragmatischen Vorgängen in anderen Feldern der Gesellschaft. Es ist ein Interesse für Ordnungsbildungen in der Kultur und deren Niederschlag in der Literatur, für soziale Praktiken, Ereignisse, Zeremonien und Rituale, das hier an Bedeutung gewinnt. Der Prozeß der Kultur ist aber nicht nur ein solcher der Ordnungsstiftung und Rahmenziehung; er besteht auch in einem komplexen Spiel von Grenzziehung und Grenzüberschreitung. Hier gewinnt der Begriff der Transgression Bedeutung, wie ihn Michel de Certeau und Michel Foucault geprägt haben. Mit ihm wird ein Denken über kulturelles Geschehen in Geltung gesetzt, in dem die Frage nach der Grenze und ihrer Überschreitung an die Stelle jenes dialektischen Denkens tritt, das die Kulturgeschichte der Moderne so lange bestimmt hat. Die Beiträge dieses Bandes verfolgen die Arbeit der Transgression in literarischen und philosophischen Texten aus interdisziplinärer Perspektive.