Herrschaft und Genossenschaft
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Risikolagen und vulnerable Gruppen gab es zu allen Zeiten und Orten. Soziale Fragen, die gestaltend bewältigt werden wollen, existierten in allen kulturellen Räumen. Die elementaren Formen, in denen auf diese Herausforderungen in den unterscheidlichen Kulturen reagiert wurden, sind morphologisch ähnlich. Frank Schulz-Nieswandt nimmt diesen Tatbestand zum Anlaß, aus anthropologischem Blickwinkel zwei archetypische Urformen sozialer Politik zu betrachten: Herrschaft und Genossenschaft. Im Mittelpunkt erschließt der Autor die strukturale Formenlehre sozialer Politik im Dualismus des gemeinorientalischen Typus der vertikalen Wohltätigkeit »von oben« (Barmherzigkeit) und des griechisch-römischen Typus der genossenschaftsartigen Hilfe auf Gegenseitigkeit (Bürger-Egalität, aber auch als maskulin-agonale res publica). Aus diesen archetypischen Urkategorien heraus differenzieren sich die binären elementaren Formen als Typen vertikaler und horizontaler Reziprozität. Die herausgestellten Archetypen leben heute noch fort, beispielsweise in der steuerfinanzierten staatlichen Transferpolitik (bedürftigkeitsgeprüfte Sozialhilfe) und der asymmetrischen freiwilligen Wohltätigkeit sowie in der sozialversicherungsartigen Risikovergemeinschaftung und in Kleingenossenschaften der sozialen Selbsthilfe. Allen diesen differenzierten Formen sozialen Helfens und sozialer Risikobewältigung gemein ist ihr Ursprung in dem Gabemechanismus als conditio humana.