Buchstäblich traurig
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buchstäblich traurig Dieser Sammelband besticht und berührt durch seine Mischung der Textsorten und durch unterschiedliche Herangehensweisen aus verschiedenen Disziplinen. Wissenschaftliche Aufsätze von Silvia Henke, Marc Sagnol, Christian Kläui, Wolfram Groddeck, Birgit R. Erdle, Michael Turnheim, Alfred Bodenheimer und Kathy Zarnegin umkreisen den Themenkomplex 'Trauer - Tragik - Trauerspiel/Tragödie - Melancholie'. Gleichzeitig ringen Ulrike Draesner, Christian Uetz, Urs Allemann und Peter Weber in ihren Gedichten um einzelne Buchstaben und Wörter als Ausdruck von Trauern und Trauer. In buchstäblich traurig werden auf diese Weise Begriff und Thema der Trauer nicht nur abstrakt abgehandelt und theoretisch analysiert und seziert, sondern Dichter trauern und verleihen der Trauer eigene Stimmen. Die Texte treffen und betreffen. In der Auseinandersetzung mit der Trauer begeben sich die traditionell vernunftorientierten Wissenschaften in die Niederungen der Gefühle. Doch der Schein trügt, denn um jegliche Nähe zur vermeintlichen Irrationalität zu vermeiden, hat die Wissenschaft, wann immer sie die Trauer ins Visier genommen hat, sich auf den edlen Begriff der Melancholie bezogen und damit signalisiert, dass sie nur an einem bestimmten Typus von Trauer interessiert ist. Die Gegenüberstellung von Trauer und Melancholie impliziert, dass sich die Trauer je nach Bezeichnung einem anderen Medium zuwendet: Die Melancholie, zur Muse empor stilisiert, wird für den intellektuell-kreativen Umgang mit der Sprache als zuständig erklärt, während die Trauer mit Attributen wie 'unaussprechlich' dem Reich der Gesten und Gebärden zugeordnet wird. Dass sich hier nebenbei eine geschlechterorientierte Aufgabenteilung herauskristallisiert hat, ist kaum von der Hand zu weisen: Melancholie gilt seit der Antike als eine männliche Angelegenheit (Helden, Philosophen und Schriftsteller), während Trauern und sämtliche damit einhergehenden Rituale und Gesten traditionell weiblich konnotiert werden (Klageweiber). Es besteht somit Anlass, die Verbannung der Trauer in das Register der nonverbalen Kommunikation (Gesten, Gebärden usw.) zu hinterfragen. Um die vielschichtigen und nicht immer leicht zu identifizierenden Maserungen der Trauer im Text freizulegen, setzt sich der Band mit dem schriftlichen Ausdruck der Trauer im Fokus von verschiedenen Disziplinen (Literatur- und Religionswissenschaft sowie Medizin) auseinander. Die wissenschaftlichen Beiträge skizzieren die Gestaltung der Trauer in klassischen Texten der Literatur (im Alten Testament, bei Goethe, Hölderlin, Rilke, Celan u. a.) und deren theoretische Formierungen bei Benjamin, Freud und Lacan. Sie werfen somit ein Licht auf die unterschiedlichen Ausformungen der Trauer und beleuchten darüber hinaus mit ihrer auf die Vergangenheit gerichteten Sichtweise eine bestimmte Texttradition im Hinblick auf den Trauerbegriff. Doch wie trauert der literarische Text heute? - In diesem Sammelband schreiben in ungewohnter Nähe neben den LiteraturwissenschaftlerInnen und Medizinern auch diejenigen, denen diese beiden Disziplinen normalerweise als Gegenstand bzw. Patient aus einer gewissen Distanz begegnen - die Dichter selbst. Mit Aufsätzen von Alfred Bodenheimer, Birgit R. Erdle, Wolfram Groddeck, Silvia Henke, Christian Kläui, Marc Sagnol, Michael Turnheim und Kathy Zarnegin. Mit literarischen Texten von Urs Allemann, Ulrike Draesner, Christian Uetz und Peter Weber.