Von der philosophisch-moralischen Erzählung zur modernen Novelle
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Die ersten Novellen, die Prosper Mérimée 1829 in der „Revue de Paris“ veröffentlichte, galten in der Kritik schon früh als Geburt einer neuen Gattung, die einen klaren Buch mit den älteren „contes“ und „nouvelles“ vollzog. Die Literaturgeschichtsschreibung hat aus der umfangreichen Produktion auf dem Gebiet der kürzeren Erzählprosa des ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhunderts nur wenige Texte, vor allem die „contes philosophiques“ der Aufklärer, kanonisiert, während die große Masse jener „contes“, „nouvelles“, „anecdotes“, „histoires“ etc. dem Verdikt der Bedeutungslosigkeit anheim fiel. Dieser Band stellt die Frage, inwieweit diese lange Zeit vernachlässigten Texte einen Beitrag zur Genese der modernen französischen Novelle leisten. Auf teleologische Deutungsmuster wird dabei ebenso verzichtet wie auf eine apriorische Unterscheidung von Hoch- und Trivialliteratur, die sich erst in dem Maße ausdifferenziert, wie das klassizistische Literatursystem durch das romantische abgelöst wird. Es wird gezeigt, daß die Novelle des 19. Jahrhunderts keine 'Verbesserung' eines zuvor 'unvollkommenen' Modells ist, sondern daß ihre Neuerungen nur vor dem Hintergrund der tiefgreifenden Umstrukturierung des Sozialsystems Literatur von der Heteronomie zur Autonomie verständlich wird.