Der Tokioter Kriegsverbrecherprozeß und die japanische Rechtswissenschaft
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Der Tokioter Prozeß (1946-1948) gegen die japanischen Hauptkriegsverbrecher im Zweiten Weltkrieg hat bislang - anders als die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse - kaum Beachtung gefunden. Dies gilt besonders für seine Rezeption in der Straf- und Völkerrechtswissenschaft. In Tokio bildete der Straftatbestand der „Verbrechen gegen den Frieden“ den Schwerpunkt der Anklage. Zu einer Verurteilung aufgrund von „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ kam es hingegen nicht. Auch führte die besatzungspolitisch motivierte Anklageverschonung des japanischen Kaisers im Prozeßverlauf zur systematischen Ausblendung eines zentralen Bereichs des japanischen Kriegs- und Systemunrechts. Die vorliegende Arbeit stellt erstmalig die Rechtsprobleme und historischen Hintergründe des Verfahrens sowie seine Rolle in der Entwicklung des Völkerstrafrechts dar und analysiert zugleich die Reaktionen der japanischen Rechtswissenschaft auf den Tokioter Prozeß. Der japanische Umgang mit vergangenem Unrecht wird darüber hinaus im Lichte der Haltung Japans zum heutigen Völkerstrafrecht und zum Internationalen Strafgerichtshof untersucht. Die Arbeit beschäftigt sich jedoch nicht nur mit einem von der deutschen, japanischen und internationalen Forschung bisher weitgehend vernachlässigten Prozeß und seiner Rezeption. Sie zeigt auch am Beispiel Japans auf, wie sich langfristig der weitgehende Verzicht auf eine eigenständige Auseinandersetzung mit Unrechtsvergangenheit juristisch, gesellschaftlich und politisch auswirken kann. Für die Arbeit wurde der Autor 2003 mit dem Akademiestipendium der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften ausgezeichnet.