Drosilla und Charikles
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Drosilla und Charikles ist ein spannender Liebesroman mit einer virtuosen Handlungsführung. Zwei junge Leute verlieben sich unsterblich ineinander, aber da das Mädchen bereits einem anderen versprochen ist, entführt sie der Held und flieht mit ihr. Sie erleben aufregende und zum Teil groteske Abenteuer, finden sich aber schließlich wieder zusammen und erleben eine triumphale Hochzeit. Der byzantinische Roman des 12. Jahrhunderts geht auf eine Wiederbelebung des antiken Prosaromans, konkret: der Romane des Achilleus Tatios (Leuklippe und Kleitophon, BGL Band 11) und des Heliodor, zurück. Den Anfang scheint Eustathios Makrembolites mit seinem dem Roman des Achilleus Tatios nachempfundenen Prosaroman Hysmine und Hysminias (BGL Band 29) gemacht zu haben, dem einzigen byzantinischen Prosaroman überhaupt. Ein Prosaroman ist er freilich ausschließlich in formaler Hinsicht; stilistisch gesehen ist seine Sprache das, was man in der Antike als „Poesie in Prosa“ bezeichnete. Makrembolites’ Nachfolger, Theodoros Prodromos, geht daher einen Schritt weiter und schafft konsequenterweise auch formal Poesie, das heißt er schreibt seinen den Aithiopika Heliodors nachempfundenen Roman Rhodanthe und Dosikles (BGL Band 42) zur Gänze in Versen. Und nach dessen Vorbild schreibt nun dessen Zeitgenosse Niketas Eugeneianos seine Erzählung. Die Nachahmung einer Nachahmung also? So ist es in der Tat. Andererseits ist nicht zu bestreiten, daß von wirklicher Nachahmung nur am Anfang und dann wieder am Schluß gesprochen werden kann und dazwischen eine erstaunliche schöpferische Phantasie und eine beachtliche erzählerische Begabung kenntlich werden. Doch Eugeneianos geht noch weiter als Prodromos. Als Inbegriff der Poesie gilt ja eher die Lyrik. Zumindest gleichberechtigt neben dem epischen Element, der Handlung, steht bei ihm die Lyrik und hier wieder vor allem die Liebeslyrik. Mehr noch: Die in Drosilla und Charikles enthaltene Liebeslyrik stellt fürwahr die Gesamtheit der byzantinischen Liebeslyrik bis zu diesem Zeitpunkt dar. Mit dieser ersten deutschen Übersetzung wird dem heutigen Leser ein lyrischer Liebes- und Abenteuerroman vorgelegt, der zwar in heidnischer Antike spielt, aber im christlichen Mittelalter verfaßt worden ist. Die vorliegende Übersetzung versucht, Gedankengang und sprachlichen Ausdruck des Originals möglichst getreu wiederzugeben Sie versucht hingegen nicht¸ das Versmaß des Originals nachzubilden¸ sondern bedient sich freier Rhythmen, die einfacher Prosa nahestehen. Über biographische und literaturhistorische Fragen, Aspekte der sprachlichen und künstlerischen Gestaltung und anderer Einzelfragen handelt eine ausführliche Einleitung. Der Erleichterung des Textverständnisses und der Erhellung der Arbeitsweise des Dichters dienen ein wissenschaftlicher Kommentar. Ein detailliertes Register beschließt den Band.