Die Schwabengänger aus Graubünden
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Meist durch Hunger und Not gezwungen, verliessen während des ganzen 19. Jahrhunderts bis zu Beginn des Ersten Weltkrieges Kinder aus Graubünden am Ende des Winters ihre Heimat, um bis im Herbst auf den Bauernhöfen Oberschwabens Arbeit und Brot zu finden. Die sogenannten Schwabengänger reisten zu Fuss, später gelegentlich auch mit der Bahn und dem Schiff, an die 'Kindermärkte' in den Städten Ravensburg, Wangen, Überlingen oder Pfullendorf, wo sie sich an einen Bauern aus der Region verdingten. In vielen Fällen erfuhren die Kinder auf den Höfen eine angemessene Behandlung, dennoch wurden manche von ihnen Opfer von Willkür und Gewalt. Aus heutiger Sicht scheint es kaum mehr vorstellbar, dass Kinder alljährlich Hunderte von Kilometern reisten, um sich ein Zubrot zu verdienen. Hier soll jedoch versucht werden, die Schwabengängerei aus den Vorstellungen ihrer Zeit heraus zu beurteilen: Kinder galten als kleine Erwachsene, und schwere körperliche Arbeit war somit nichts Aussergewöhnliches. Die vorliegende Studie situiert das Phänomen der Bündner Schwabengängerei in den historischen Kontext der allgemeinen temporären Emigration von Kindern im 19. Jahrhundert. Es wird dabei nicht nur die spezifische Entwicklung der einheimischen Kinderwanderung nachgezeichnet, sondern auch nach deren sozialer Wertung gefragt. Einen weiteren Schwerpunkt bilden alltagshistorische Aspekte aus der Sicht der Betroffenen wie etwa die subjektive Befindlichkeit der Kinder auf der Reise und während ihres Aufenthaltes in Schwaben.