Vernunft und Affektivität
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Spinozas Theorie der Politik blieb lange unbeachtet. Neben schwer auszurottenden Vorurteilen gegen den Autor spielte dabei die Interpretation eine große Rolle, seine beiden politischen Traktate als Gelegenheitsschriften ohne Bezug auf sein philosophisches Hauptwerk, die Ethica, zu betrachten. Wenn man jedoch diese Lehre mit der conatus-These in der Ethica in Verbindung setzt, erkennt man sofort, daß Spinozas Denken auf das genaue Gegenteil hinausläuft: Wer den Begriff des Rechts durch den der physischen Gewalt ersetzen und alles nur unter Anwendung der Gewalt unter Kontrolle bringen will, setzt damit den Staat einer prinzipiellen Instabilität aus, die dieser nie überwinden kann. Denn das Naturrecht auf die freie Selbstbestimmung, das jeder Mensch als Modus Gottes der göttlichen Macht verdankt, ist gewiß noch kein Recht als Gegenstand der positiven Gesetzgebung, muß aber trotzdem in jeder Rechts- und Staatsverfassung berücksichtigt werden, weil es zu derjenigen Grundbestimmung des Menschen gehört, die – langfristig gesehen – weder physische Gewalt noch beliebige Normen manipulieren können. In der vorliegenden Schrift wird versucht, diese in der Rezeptions- und Interpretationsgeschichte vergessene bzw. mißverstandene Gebundenheit der Theorie der Politik Spinozas an seine metaphysisch-anthropologischen Voraussetzungen darzustellen, indem auf Vernunft und Affektivität als Schlüsselbegriffe aufmerksam gemacht wird, die sein ganzes Denken prägen.