Berufstätige Mütter
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Die Geschlechterordnung der 1950er und 1960er Jahre war nicht so gleichförmig, wie sie häufig dargestellt wird. Die vorliegende Untersuchung macht Brüche sichtbar, die die Neuordnung nach 1968 anzeigen und vorbereiten. Die Präsenz von Müttern auf dem Arbeitsmarkt wurde bisher unterschätzt, wie die Analyse der statistischen Entwicklung der weiblichen Erwerbstätigkeit zeigt. Die ausserhäusliche Erwerbstätigkeit verheirateter Frauen mit Kindern nahm in der Schweiz wie in den meisten westlichen Industrienationen nach dem Zweiten Weltkrieg sichtbar zu. Auf der sozialpolitischen Agenda avancierte sie gar zu einem der wichtigsten Themen: Unter dem Stichwort 'Mütterarbeit' debattierten Parteien, Verbände, Wissenschaft und Medien kontrovers und mit grosser Emotionalität die möglichen Auswirkungen mütterlicher Berufstätigkeit auf die Familie. Im Zentrum der Studie steht die Analyse von über zwei Dutzend Enqueten zu berufstätigen Müttern in der Schweiz. Hier wird das komplexe Verhältnis von Familienorientierung und Berufsidentität erwerbstätiger Mütter sichtbar. Sozialer Aufstieg dank verbesserten Ausbildungschancen für die Kinder und erhöhter Lebensstandard waren für die Befragten wichtiger als die Norm der nichtberufstätigen Hausfrau. Diskurse der Ausgrenzung von Ehefrauen mit Kindern auf dem Arbeitsmarkt prägten die normative Ebene. Untersucht werden in diesem Zusammenhang Arbeitsschutzmassnahmen, der Widerstand gegen die Forderung nach gleichem Lohn für gleichwertige Arbeit, der Expertendiskurs über die Mutter-Kind-Bindung und die öffentliche Meinung zur Berufstätigkeit von verheirateten Frauen mit Kindern. Schliesslich wird die Teilzeitarbeit als aufkommende Arbeitsform zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie analysiert. Da fast ausnahmslos Frauen teilzeitbeschäftigt waren, führte die neue Arbeitsform zu einer Schwächung der weiblichen Marktposition. Immerhin trug die Teilzeitarbeit massgeblich dazu bei, dass die Rolle der Ehefrauen als 'Zuverdienerinnen' gesellschaftlich salonfähig wurde. Die gesellschaftliche Entwicklung nach 1945 wird als subtiler Wandel der Geschlechterrollen interpretiert: Die Wirkungsmacht des Ernährer-Hausfrau-Modells war ideologisch stets viel höher als empirisch. Die gesellschaftliche Entwicklung der 1950er und 1960er Jahre setzte einen Wandel in Gang, der seit 1970 zur gesellschaftlichen Gleichstellung der Geschlechter hinführt