Der lebende Tote
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Die Familie Suniza stammt, so die Überlieferung, aus dem Gouvernement Tschernigow, das um 1800 zur Ukraine gehörte. Sie lebte in ärmlichen Verhältnissen. Der Grossvater von Ljew Borissowitsch Suniza, Pawel Suniza, stieg bis zum Gutsverwalter auf, wurde aber nach der ungenehmigten Heirat mit einer Leibeigenen mit 25 Jahren Militärdienst bestraft und nach Sibirien verbannt. 1853 wurde der Vater von Ljew Suniza, Boris Pawlowitsch, als eines von 8 Kindern des Pawel Suniza geboren. Zarentreu, aber von den bestehenden Verhältnissen zutiefst enttäuscht, wird der Vater 1903 ermordet. Wenig später begeht die Mutter Selbstmord. Die drei hinterlassenen Kinder, Wladimir, Maria und Ljew Suniza, sehr liebevoll und musisch erzogen, wachsen bei Verwandten auf. In den politisch so dramatischen Jahren 1900 bis 1905 in Russland finden die Brüder ihren politischen Weg – Ljew schliesst sich den Bolschewiki an und wird fortan Berufsrevolutionär. Zu den zahlreichen Stationen seines Wirkens bis 1910 gehören auch die Redaktionen der Zeitungen „Unser Weg“ und „Prawda“. Ende 1913 emigriert er nach Wien, wo er mit Bucharin und Trotzki, Karl Renner, Otto Bauer und Max Adler bekannt wird und zusammenarbeitet. Zu Kriegsbeginn 1914 wird er als Russe sofort interniert. Nach der erwirkten Freilassung bleibt er in Österreich, um die Geschichte der österreichischen Arbeiterbewegung zu studieren, und nimmt auch an der Zimmerwalder Konferenz von 1915 teil. 1917 gründet Ljew Suniza die „Wiener russische kommunistische Gruppe“, die wiederum später an der Gründung der KPDÖ teilnahm. 1918 wird er ausgewiesen und geht nach Moskau. 1919 bringt seine Freundin in Wien seinen Sohn Leo zur Welt – er erfährt es erst Jahre später. 1919/20 dient er in der Roten Armee, 1920/21 als Parteifunktionär in Omsk, danach arbeitet er in verschiedenen Zeitungsredaktionen mit. Ab 1923 wirkt er als Dozent für politische Ökonomie an der Jekaterinburger Universität. 1926 holt ihn Bucharin an die „Internationale Leninschule des EKKI“ in Moskau. 1929 wird Suniza versetzt – als Dozent an die TH in Nowotscherkassk, wo er sich vor allem mit Fragen der Entwicklung der sowjetischen Landwirtschaft beschäftigt. Den stalinschen „Säuberungen“ von 1933 bis 1939 entgeht auch Ljew Suniza nicht. 1935 wird er verhaftet und deportiert. Und nun verliert sich seine Spur für viele Jahrzehnte. Am 6. März 1957 wird Ljew Suniza vom Obersten Gericht der UdSSR rehabilitiert. Über seinen Verbleib – angeblich soll er noch bis Anfang der 70er Jahre in der UdSSR gelebt haben – gibt es keine letzte Gewissheit.