Die Überlieferung der "Christherre-Chronik"
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Die mittelhochdeutsche Vers-Weltchronistik hat in der jüngeren literaturgeschichtlichen Forschung starke Beachtung gefunden. Dabei wurde die Rolle der Vers-Weltchronik als Leitform der Großepik herausgestellt, in der sie im Spätmittelalter den höfischen Roman ablöst, und es wurde auf die lebendige Tradition der Gattung im 14. und 15. Jahrhundert hingewiesen, wie sie sich insbesondere in den Kompilationswerken z. B. des ‚Heinrich von München‘-Komplexes zeigt, die in zahlreichen illustrierten Prachthandschriften erhalten sind. Das genauere Verständnis der Gattung und ihrer über zweihundertjährigen Geschichte war allerdings dadurch behindert, dass einer ihrer Schlüsseltexte bislang nicht ediert ist und seine Überlieferung unaufgearbeitet war. Das von einem anonymen Autor um die Mitte des 13. Jahrhunderts hinterlassene Werk, das nach seinem Textanfang (Crist herre über alle craft) ‚Christherre-Chronik‘ genannt wird, unternimmt es, die Weltgeschichte von der Schöpfung bis zur Gegenwart des Verfassers zu erzählen, bricht aber nach über 24.000 Versen in der biblischen Geschichte des Alten Testaments ab. Dem Großtorso, de facto eine alttestamentliche Reimbibel, war ein unmittelbarer und langanhaltender Erfolg beschieden. In der vorliegenden Arbeit wird erstmals seit dem frühen 19. Jahrhundert die erhaltene Überlieferung der ‚Christherre-Chronik‘ in beinahe 100 Handschriften und Handschriftenresten des 13. bis 15. Jahrhunderts vollständig zusammengestellt und beschrieben. Die Arbeit ist zum einen als editionsvorbereitende Monographie angelegt, zum anderen als überlieferungsgeschichtliche Studie, die der Forschungsdiskussion über die Geschichte der Gattung neue Perspektiven eröffnen will. Der kritische Forschungsüberblick der Einleitung stellt hinsichtlich der literaturgeschichtlichen Diskussion insbesondere die bislang angenommene beherrschende Rolle der Kompilationen in Frage, rechtfertigt den überlieferungsgeschichtlichen Ansatz beim Einzelwerk und begründet die Anlage der Darstellung in zwei Teilen, die in vielfältiger Weise aufeinander bezogen sind: Der erste Teil gilt der Gesamtüberlieferung, die zunächst in einem konzisen Gesamtverzeichnis erfaßt (Kapitel A) und anschließend in textgenealogischer (Kapitel B) und in überlieferungstypologischer (Kapitel C) Perspektive analysiert wird. Der zweite Teil hat den Haupttyp der unvermischten Überlieferung in acht erhaltenen Kodizes (Kapitel A) und 31 durch Fragmente bezeugten Handschriften (Kapitel B) zum Gegenstand, die ausführlich beschrieben werden. Als Ergebnis dieser Beschreibungen werden in Kapitel C Grundlinien und Hauptaspekte der Geschichte der unvermischten Überlieferung der ‚Christherre-Chronik‘ herausgearbeitet. Ein Tafelteil mit Abbildungen aus den im zweiten Teil beschriebenen Handschriften und Fragmenten beschließt das Buch.