Die Reformkonzepte Heinrich Roths - verdrängt oder vergessen?
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In den 60er und 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts galt Heinrich Roth (1906-1983) nicht nur als bedeutender, sondern als überaus einflussreicher Pädagoge. Die von ihm von der Universität Göttingen aus in Gang gebrachte Modernisierung der Erziehungswissenschaft sowie die durch ihn als Mitglied des Deutschen Bildungsrates zur Diskussion gestellte Reformierung des Erziehungs- und Bildungswesens schienen weitgehend akzeptiert zu sein. Tatsächlich fielen beide Anstrengungen Gegenströmungen zum Opfer. Seine Auffassungen zur Notwendigkeit einer 'realistischen Wendung' der pädagogischen Forschung, zur Nützlichkeit der Zusammenführung unterschiedlicher Forschungsergebnisse unter einer 'pädagogischen Fragestellung' und zur Dringlichkeit konkreter Veränderungen der Lehr- und Lernprozesse vor allem in der Schule sind offenbar vergessen, wenn nicht sogar verdrängt worden. Auffällig ist, dass mit Roths Pädagogischer Anthropologie auch das darin enthaltene Konzept einer 'Entwicklungspädagogik' verloren ging, obschon deren Grundlagen trotz der neueren Erkenntnisse der Neurobiologie auch heute noch Bestand haben. Viele Erziehungswissenschaftlerinnen und Erziehungswissenschaftler wollten augenscheinlich weder von der Entwicklungspsychologie Abschied nehmen noch von den ihnen geläufigen historisch-philosophischen Vergewisserungen. In der gegenwärtigen Diskussion über die Mittel und Wege einer erneuten Bildungsreform ist von der Förderung von Begabung, vom frühen Lernen, von der Hinwendung zu Kompetenzen und Qualifikationen, von grundlegenden Wandlungen der Lehrerausbildung in einer Weise die Rede, als habe diese Probleme noch nie jemand systematisch bedacht. Deshalb fragen die Autorinnen und Autoren in diesem Band ebenso nach Roths Intentionen wie nach den Gründen für das Desinteresse an seinen Lösungen für die fortbestehenden Probleme. Da sie dies zugleich aus Anlass des 100. Geburtstages von Roth tun, enthält der Band biographische Beiträge und ergänzende Texte, mit denen die Beziehungen von Leben und Werk des Autors vom Ende der Weimarer Republik über die Zeit des Nationalsozialismus bis zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland erörtert werden. Insbesondere der Charakter seiner veröffentlichten Dissertation und die Tätigkeit des zunächst als Psychologe in der Heerespsychologie arbeitenden Wissenschaftlers werden thematisiert.