Dunkle Gottesbilder
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Ja, so war das mit deiner „Religiosität“: ein ängstliches Bemühen, nichts falsch zu machen, kein Risiko einzugehen, um vom „harten Herrn“ nicht beschuldigt zu werden, nicht das Richtige getan zu haben. Es war ein furchtbares Erwachen, zu begreifen, dass die Schuld dieses Knechtes nicht darin bestand, Fehler gemacht zu haben, sondern an dem Bild eines Gottes festgehalten zu haben, das geformt war von den kindlichen Erfahrungen mit den Vätern in Familie und Kirche. Dass ich für dieses Bild verantwortlich bin und deswegen alles daransetzen muss, um mich von ihm zu befreien, dies gehört zu den wegweisenden Erkenntnissen meines Lebens. Diesem Erleben verdankt sich dieses Buch, einem Erleben, das ich in der Arbeit mit meinen KlientInnen wieder fand. Wie ein roter Faden zieht sich durch die Lebensgeschichte so vieler Menschen der Verzicht, mit den anvertrauten Talenten mutig zu wuchern. Sie fühlen sich gefangen in einem Netz von scheinbar unveränderlichen Normen, die sie hindern, auszugreifen. Um sicher zu gehen, nicht verurteilt zu werden, haben sie ihr Terrain so verkleinert, dass sie kaum darauf leben können. Es gleicht eher einer belagerten Festung mit einer hohen Mauer, hinter der sie sich verschanzen, um unangreifbar zu sein. Aber die Vorräte, die sie angesammelt haben, um ihr Leben zu fristen, gehen allmählich zu Ende. Das Brot wird schimmlig, das Wasser erfrischt und labt nicht mehr, es ist abgestanden und fault. Nur durch Mauerluken können sie noch etwas erahnen von der unbegrenzten Weite des Landes, von Licht und Farben, vom Grün der Wiesen und Bäume, vom endlosen Blau des Himmels.