Ein Leben für die Wissenschaft im 20. Jahrhundert
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Wenn ein pensionierter Professor der mittleren und neueren Geschichte, Jahrgang 1925, sich im Jahre 2000 hinsetzt, um seine Autobiographie zu schreiben, könnte man erwarten, dass er, gleichsam aus der Vogelperspektive des dem Alltagsgeschehen Entrückten, ein weises Fazit seines Lebens zieht. Das ist im Falle von Herrn Professor Euler mit Sicherheit nicht der Fall, wohl auch deswegen nicht, weil er bis zuletzt Vorlesungen hielt und seinen Studenten verbunden war. Der Terminus „Autobiographie“ trifft, streng genommen, nur für die ersten beiden Kapitel „Jugendjahre“ und „Krieg und Frieden“ zu. Dort stellt der einer Fabrikantenfamilie in Mainz Entstammende in erzählerischer Form sehr konkret die Entwicklung seines Wissens, seiner geistigen Fähigkeiten und seiner Persönlichkeit dar, eingebettet in eine Betrachtung der Zeitgeschichte. Der weltanschauliche Kompass, der ihm vom Elternhaus mitgegeben wurde, ist dabei das Eintreten für Demokratie und Freiheit, die Ablehnung des Faschismus, sowie im persönlichen Bereich Anstand, Fairness, Mitgefühl und Höflichkeit. Die Geschichte, die Astronomie, der Kosmos und die Natur sind jene Gebiete, die den Schüler und Jugendlichen besonders faszinieren. 1944 wird aus dem klugen, wissensdurstigen jungen Menschen ein gar nicht heroischer Soldat, der mit einem Herzfehler zu kämpfen hat und vor allem jene Episoden festhält, in denen er sich Vorgesetzten widersetzte, vertrauend auf seinen gesunden Menschenverstand. Trotz aller Ablehnung des Krieges als grausam und sinnlos, bleibt dem Erwachsenen das Gefühl, durch ihn geprägt worden zu sein und die Genugtuung, ihn ausgehalten zu haben. Während der Autor in den beiden ersten Kapiteln seine erzählerischen Fähigkeiten unter Beweis stellt, in humorvoller, mitunter auch derber Sprache, weitgehend auch realistisch die Erlebnisse in seiner Heimat darstellt, den Volksmund und Witze dabei keineswegs ausspart. Im zweiten Teil, den Kapiteln „Studien“ und „Das Leben - ein Traum“ stehen abstrakte Analysen im Vordergrund. Sie werden unterbrochen von Episoden, kleinen Szenen, die vor allem Auseinandersetzungen zum Gegenstand haben. Eingebettet sind diese Auseinandersetzungen um die eigene Promotion und die von Schülern, die Habilitation, wissenschaftliche Publikationen und auch um den Unterrichts- und Prüfungsbetrieb an der Universität. Betrachtungen nach dem zweiten Weltkrieg sind meist in Abhängigkeit vom politischen und geistesgeschichtlichen Geschehen in Deutschland, in Europa und global zu sehen. Der Autor war ein Kämpfer, ein Skeptiker, ein Individualist und doch spürt man in dieser Autobiographie von der ersten bis zur letzten Zeile den Stolz, ein Mann des Geistes gewesen zu sein. Länger als ein halbes Jahrhundert lehrte und forschte er an der Universität. Durch seinen plötzlichen Tod ging ein Leben zu Ende, das geprägt war von den Idealen des Humanismus und einer nie versiegenden Liebe zur Wissenschaft.