Kapitalismuskritik
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Kapitalismuskritik schien aus der Mode gekommen zu sein, nachdem sie in den sechziger und siebziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts die öffentlichen und auch die geisteswissenschaftlichen Debatten beherrscht hatte. Doch im Gefolge der Heuschreckendebatte und der Finanzmarktkrise ist sie zurückgekehrt, überdies nun endlich auch als wissenschaftliches Untersuchungsobjekt. Das vorliegende, interdisziplinär ausgerichtete Buch beschreibt die Kapitalismuskritik erstmals als eigenständige Textsorte. Diese Geschichten gleichen sich in ihrer formalen Anlage, unterscheiden sich jedoch in ihrer inhaltlichen Ausgestaltung: Je nach Stoßrichtung werden unterschiedliche Typen der Kritik sichtbar, einerseits die soziale Kritik an Verelendung und Verlust des Gemeinsinns, andererseits die ästhetische Kritik an Entzauberung und ästhetischer Verflachung durch den Kapitalismus. Diesen Typen werden drei konkret analysierende Textfelder zugeordnet: Marx, v. a. das Kommunistische Manifest zur sozialen Kritik, Nietzsche, v. a. die Unzeitgemäßen Betrachtungen zur ästhetischen Kritik, und Heinrich Manns Roman Im Schlaraffenland als Beispiel für die Verbindung beider Kritiken. Diese Typen werden im zweiten Teil (Praxis) ausführlich behandelt, nachdem im ersten Teil (Theorie) das neu entwickelte Untersuchungsraster vorgestellt wurde. Der dritte Teil formuliert Ergebnisse und bietet einen Ausblick auf Münteferings aktuelle Beiträge zur sogenannten Heuschreckendebatte. Ein umfangreiches Glossar erläutert noch einmal die theoretischen Kernbegriffe. Insgesamt werden die Textbefunde aus den drei großen Gesellschaftsbereichen Wirtschaft, Politik und Kultur so aufgearbeitet, dass sie im Rahmen eines einheitlichen Analysemodells wiedergegeben und auf innovative Weise aufeinander beziehbar werden. Es entsteht ein Panorama der Spielarten von Kapitalismuskritik im 19. Jahrhundert mit ihrem Nachhall in der Gegenwart. Den viel interpretierten Werken von Marx, Nietzsche und Mann werden nicht nur neue Gesichtspunkte hinsichtlich der sie verbindenden Textsorte abgewonnen; vielmehr wird mithilfe der französischen und der englischen Forschung (Nouvelle Sociologie Economique, Critical Discourse Analysis) eine unbegreiflicherweise bestehende Lücke in der deutschsprachigen Forschung geschlossen: nämlich die ausdrückliche und alleinige Theoretisierung und Historisierung der Kapitalismuskritik, das erstmalige Beschreiben dieser Kritik, ihres Kontextes und ihres Textes in Theorie und Praxis.