Die Zukunft einer Provokation: Religion im liberalen Staat
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Der moderne Verfassungsstaat ist eine Provokation für den unbedingten Geltungsanspruch der Offenbarungsreligionen. Umgekehrt hat der liberale Staat ein Verständnisproblem mit der gegenwärtigen religiösen Renaissance. Aus diesem Spannungsverhältnis erklärt sich das neue Phänomen fundamentalistischer Religionspolitik als einer von sozialen Eliten betriebenen, kulturkritischen Identitätspolitik. Politik und Religion sind - vom ersten Säkularisierungsschub im antiken Griechenland über das mittelalterliche Gottesgnadentum weltlicher Herrschaft bis zum neuzeitlichen Verfassungsstaat hin - in ihrem schwierigen Verhältnis nur historisch zu verstehen. Die Zukunft der wechselseitigen Provokation zwischen Religion und Politik hängt davon ab, dass religiöse Gemeinschaften, komplementär zur Liberalität des Verfassungsstaates, eine religiöse Liberalität ausbilden. Eine freiwillige Bereitschaft, Geltungsansprüche zu privatisieren und abweichende demokratische Entscheidungen zu akzeptieren sowie abweichende religiöse Überzeugungen zu tolerieren. Begünstigt wird diese Bereitschaft weniger durch das politische Engagement religiöser Glaubensgemeinschaften als durch deren Transzendenzorientierung, die weltlichen Fragen ihre Eigengesetzlichkeit lässt.