Meilensteine
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Vor uns breitet sich ein Stück anderer Geschichte der Bundesrepublik aus – eine, die wir nicht kennen oder verdrängt haben. Marianne Semnet wird in den Faschismus hineingeboren, damit zugleich in die Geschichte des Widerstands gegen ihn. Ihre Familie ist Teil der Arbeiterbewegung, büßt mit Verfolgung, Haft und Tod ihre Opposition gegen den menschenverachtenden NS-Staat. In diesen Jahren prägen sich bereits die menschlichen und politischen Grundpositionen aus dem Erlebten aus: die Notwendigkeit einer zutiefst humanen Solidarität, die Ablehnung jeder totalitären Gesellschaft und die Schaffung einer demokratischen, sozialistischen Gesellschaft, die gleiche Chancen für jeden ihrer Bürger ermöglicht. Diesen Grundsätzen bleibt sie ihr Lebtag treu, setzt sich für sie bis zur eigenen Selbstaufopferung ein. Unmittelbar nach dem Krieg gehört sie zu denen, die die FDJ (Frei Deutsche Jugend) aufbauen. Wenig später, nach Schule und Ausbildung, wird sie Mitglied der Kommunistischen Partei. Das Verbot von FDJ und KPD bringt sie wie viele andere engagierte Menschen in den 50er Jahren des Adenauer-Staates in die illegale Arbeit und schließlich ins Gefängnis. Nur wenige Jahre nach dem Ende des NS-Regimes verurteilen zum Teil die gleichen Richter und Staatsanwälte politisches Engagement wieder mit Haft. Zusammen mit ihrem Mann arbeitet sie viele Jahre engagiert weiter in der neuentstandenden DKP. Doch die Machtgelüste von Funktionären und die undemokratischen Zustände in der Partei, führen sie in die Entfremdung und schließlich zum Austritt aus der Partei. Doch sie resigniert keinesfalls, findet in der Friedensbewegung und in der DFU eine neue Heimat, engagiert sich gewerkschaftlich. Beinahe fassungslos sieht sie das Wiedererstarken der rechtsradikalen Kräfte. Auf zahllosen Demonstrationen und Diskussionsrunden ruft sie zum engagierten Einsatz gegen die Rechten auf. Vor allem gelingt es ihr, junge Menschen durch ihre Berichte über die miterlebten Verbrechen der Nationalsozialisten rechtzeitig zu sensilibieren und auf die Gefahren des Neofaschismus aufmerksam zu machen. Für diesen Einsatz, der unter anderem zur Einrichtung der Gedenkstätte Gestapokeller führt, erhält sie 2007 die Bürgermedaille der Stadt Osnabrück. Viel wird heute geklagt, dass es kaum mehr Menschen gibt, an deren Engagement sich junge Menschen orientieren und auch reiben können. Marianne Semnet ist so eine, denn sie ist ihren Grundsätzen immer treu geblieben. Ideologische Verblendung und politisch-persönliche Machtspiele sind ihr stets zuwider gewesen. Ihre ‚Meilensteine’ lassen uns teilnehmen an einem Stück anderer Geschichte und an dem Leben einer besonderen Frau.