Kinder des Krieges

Es gibt Bücher, deren Thema so furchtbar ist, dass sie kaum angemessen vorzustellen sind. Trotzdem sind gerade diese Bücher notwendig, weil sie uns zwingen, der Wahrheit über unsere Welt ins Auge zu sehen und nicht mit ihr zufrieden zu geben. Dieses Buch ist ein solches Buch, das nicht in Vergessenheit geraten darf: Zwischen April und Juli 1994 war Ruanda Schauplatz einer kaum vorstellbaren Tragödie. In hundert Tagen brachten Angehörige der Hutu-Mehrheit etwa zwei Drittel der in Ruanda lebenden Tutsi-Minderheit um, fast eine Million Menschen starben. Die Hutu massakrierten ganze Dörfer, vergewaltigten und quälten Frauen und Kinder - oft tage- oder wochenlang. Die Täter waren oft Nachbarn, aufgepeitschte Jugendliche; sie kamen aber auch aus den Reihen der ruandischen Armee, der Präsidentengarde, der Gendarmerie und der Verwaltung. Vor allem die Interahamwe-Milizen waren an der systematischen Vergewaltigung Hunderttausender Frauen beteiligt. Viele Opfer wurden danach an Ort und Stelle umgebracht, viele infizierten sich mit Aids und sterben heute an den Folgen. Rund 20.000 Kinder wurden als Folge der Vergewaltigungen geboren. Die Frauen, die 1994 Opfer dieser sexuellen Gewalttaten wurden, werden noch heute in Ruanda ausgegrenzt, ihre Familien und Dorfgemeinschaften haben sie und ihre Kinder verstoßen. Die Kinder werden als „Kinder schlechter Erinnerungen“, „Kinder des Hasses“ oder „kleine Killer“ bezeichnet und gemeinsam mit ihren Müttern stigmatisiert. Zu groß die Schmach, ein Kind vom Feind empfangen zu haben. Als der Fotograf Jonathan Torgovnik 2006 im Auftrag der Zeitschrift Newsweek in Ruanda für ein Aids-Projekt recherchierte, begegnete er Frauen, die mit Kindern aus Vergewaltigungen leben. Ihre Schicksale beschäftigten ihn so sehr, dass er in den folgenden Jahren wieder und wieder nach Ruanda zurückkehrte. In ruhigen, eindrucksvollen Bildern, die sowohl die Verletzungen als auch die Kraft der Frauen und ihrer Kinder widerspiegeln, porträtiert er diese unmöglichen Familien. Auf der beiliegenden DVD sprechen die Frauen darüber, was sie erlitten haben, was sie für ihre Kinder empfinden und wie sie mit ihren Traumata überleben.