Der Kupferstecher als Historiograph?
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Als am 5. Juni 1625 nach fast zehnmonatiger Belagerung die Stadt Breda kapitulierte, feierte die spanische Armee unter Leitung des Marquis Spinola nach einem zwölfjährigen Waffenstillstand ihren ersten Sieg über die Vereinigten Provinzen. Die spanische Statthalterin in den Niederlanden Isabella Clara Eugenia beauftragte den berühmten Stecher Jacques Callot, die Belagerung und den Sieg in einer Graphik darzustellen. Callot schuf eine monumentale Radierung aus sechs Einzelblättern mit genauer Wiedergabe der uneinnehmbaren Festung Breda, den gewaltigen spanischen Einschließungswällen und Feldlagern. Der Schauplatz der Belagerung wird jedoch nicht nur als topographische Ansicht, sondern auch als Landschaft gezeigt. Die Arbeit analysiert und interpretiert das Bild als autonome Quelle des historischen Ereignisses. Aus der kartographischen Analyse ergibt sich, dass der dargestellte geographische Raum vermessen und geometrisch genau auf der Bildfläche abgebildet ist. Die historisch-militärtechnische Analyse zeigt, mit welchen Mitteln Callot die Strategien eines Festungskrieges sichtbar macht. Bei der Analyse der Visualisierungsstrategien wird nach den im Bild enthaltenen Botschaften gefragt, die auf den Bildbetrachter zielen. Callot wollte die Belagerung so vollständig und exakt wie möglich darstellen, um vor Zeitzeugen und Teilnehmern der Belagerung bestehen zu können. Er zeigt sich und den Militärkartographen im Bild und unterstreicht so den Anspruch auf Authentizität. Der Betrachter erlebt das Bild aber auch als reale Landschaft mit ausgedehnten Gewässern und Flüssen. Das Bild ist auch ein Bericht über die andere Seite des Krieges. Callot konfrontiert den Betrachter im Vordergrund des Bildes mit grausamen Szenen aus dem Alltag der Soldaten und der Zivilbevölkerung. Es wird versucht, die Frage „Wie historiographisch ist das Bild?“ durch die Betrachtung der Merkmale der Historiographie in der Frühen Neuzeit zu beantworten und dabei die Vorstellungen über die Gleichstellung von Text und Bild zu berücksichtigen. Über Wirkung und Verbreitung des Callot-Bildes wissen wir wenig. Eine Spur führt an den französischen Hof. Ludwig XIII. beauftragte Callot nach seinen Siegen über die Hugenotten, die Belagerung der Île de Ré und von La Rochelle ins Bild zu setzen. Weitere Spuren lassen sich in den Historiengemälden der spanischen Habsburger entdecken.