Pointe und Aphorismus als Erkenntnisschöpfer
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AuszugIm folgenden Vortrag geht es um zwei elitäre und widerspenstige Geschwister im Geiste, den Aphorismus und die Pointe, und darum, wie die beiden Kulturtechniken als Gattung und als Stilfigur einen sich gegenseitig befruchtenden Pakt schließen. Ziel dieser kleinen Koalition: Irritieren, Erschüttern, Korrigieren, Provozieren - Einspruch erheben gegen Denkfaulheiten, Vorurteile, Konventionen, Dogmen, Dünkel, Phrasen, Schulweisheiten , vermeintliche Patentrezepte und andere ewige Gewissheiten nach dem Expertenmotto: „Das haben wir schon immer so gedacht“. Beide Spieler plädieren für ein ergebnisoffenes Denken, das neue Perspektiven in einem bestenfalls immerwährenden Interpretieren ermöglicht und das denkerische Konflikte aushält und nicht einseitig auflöst. Mit Partnern wie der Metapher und dem Paradoxon geht es darum, systemkritisch, sprachskeptisch und wahrheitsproblematisierend die Erkenntnisoptionen der Spezies Mensch zu erweitern. Beide stehen dabei für eine kritische, skeptische Tradition, die den mündigen Leser oder Hörer herausfordert und die für eine Rehabilitierung eines durchaus anspruchsvollen Widerspruchs- und Widerstandsdenkens stehen. Dabei läuft unser Traumpärchen in allen Zeiten Gefahr, dass ihm der Rezipient abhanden kommt, der sich erst einmal frei machen muss, frei von all den vermeintlich fortschrittlichen Verwerfungen wie dem ständig wachsenden Informationsmüll oder dem Diktat des homo oeconomicus oder der naiven Faktengläubigkeit. Vor allem die Pointe wird so in der aktuellen Humorindustrie reduziert zum banalen Stimmungsmacher ohne jegliche Relevanz – Namen müssen an dieser Stelle nicht genannt werden: Dabei will die Pointe doch das genaue Gegenteil – sie will überraschen, nicht einlullen, sie will Perspektiven erweitern und nicht den Horizont rund machen.