Die Rückeroberung der Kultur
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Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg besuchten eine Reihe lateinamerikanischer Intellektueller, Männer wie Frauen, das von der Katastrophe gezeichnete und erschütterte Europa. Ihr Hauptreiseziel war Paris, einst Sehnsuchtsort der lateinamerikanischen Eliten und Inbegriff der europäischen Zivilisation. Doch diese alte Welt mit ihrem selbstverständlichen kulturellen Überlegenheitsanspruch existiert nicht mehr. Kritisch und auf Augenhöhe begegnen viele der Besucher dem einstigen Vorbild Europa, das seinerseits mühsam einen Weg zwischen Ost und West zu finden hofft. Sie verhandeln neue Dialog- und Handlungsräume, beteiligen sich am kulturellen Wiederaufbau der Welt, werden sichtbar in Positionen und Funktionen, die vor dem Zweiten Weltkrieg noch undenkbar waren. Sie engagieren sich für eine Rückeroberung der Kultur nach der Barbarei – unter Berufung auf einen Humanismus, der nun tatsächlich und umfassend die Gleichheit der Menschen und Kulturen anzuerkennen habe. Doch die kurze Zeitspanne des gemeinsamen kulturpolitischen (Aus-)Handelns, fiel in Vergessenheit, als der Kalte Krieg die Aufmerksamkeit immer stärker auf die Ost-West-Beziehungen lenkte. Es ist Anliegen dieses Buchs, diesen historischen „Zwischenraum“ (1945 bis 1952), der manche Konstellation heutiger postkolonialer Diskussionen vorwegnimmt, mit seinen Akteuren, Stimmen und Handlungen wieder zugänglich zu machen.