Die Physiognomie der Tiere
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Seit der Antike wurden menschliche Physiognomien stets über ihre vermeintlichen Ähnlichkeiten mit Tieren kategorisiert. Tieren stand ihr Artcharakter geradezu ins Gesicht geschrieben. Diese zuverlässige Anschaulichkeit der Tierwelt aber ist in der Moderne nicht länger gültig. Versuchte die ältere Naturgeschichte noch bis ins späte 18. Jahrhundert, anhand äußerer tierischer Merkmale eine taxonomische Ordnung der Fauna zu begründen, so ist die moderne Biologie vor allem an den verborgenen organischen Kräften der Lebewesen interessiert. Das Aussehen von Tieren zu kennen bedeutet nun nicht mehr, etwas von ihnen zu wissen. Mit der so entstandenen Kluft zwischen dem Sichtbaren und dem Wissen, die unsere Wahrnehmung der Tierwelt bis heute bestimmt, ist die tierische Physiognomie daher in den Schatten gerückt. Das Verhältnis zwischen der Sichtbarkeit von Tieren und dem Wissen über sie ist durch die Poetik der Fauna geprägt: durch die Weise, in der Tiere sich darstellen – indem man sie etwa beschreibt oder von ihnen erzählt. Im unüberbrückbaren Abstand zwischen Sehen und Wissen bringen solche Darstellungspraktiken eine obskure animalische Physiognomie hervor, die für die Kenntnis des Menschen äußerst folgenreich ist.