Gestik des Raumes
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Wir sprechen davon, dass sich Räume „öffnen“, Wände einem „entgegentreten“, dass ein Gebäude „zurückweicht“ oder eine plötzlich in den Blick kommende Deckenöffnung uns „nach oben zieht“. Solche Formulierungen sind keine objektiven Beschreibungen dessen, was da vor uns ist. Sie sind „Wirkungsbeschreibungen“, weil sie versuchen, die Wirkung von Architektur auf uns als Benutzer dieser Räume mit Sprachbildern einzufangen. Als „Räumliche Gesten“ legen uns diese Wirkungen bestimmte Bewegungen, Haltungen, Handlungen und auch Befindlichkeiten nahe, ohne dass wir dessen im alltäglichen Vollzug gewahr werden. Das Konzept einer gestischen Kommunikation zwischen Individuen und räumlichen Situationen geht dem beiläufigen Empfinden als eigenständigem Modus der Erkenntnis nach, nämlich im Sinne einer „Technik des Körpers“, mit der wir in der Lage sind, unser leibliches Wissen in Erkenntnis umzusetzen. Der Leib selber wird zum Instrument und Medium der Analyse – indem wir auf ihn „hören“, d. h. ihn empfinden und damit die Dinge durch ihn hindurch. – Gestische Kommunikation ist leibliche Kommunikation. Die Autorin verortet die Relevanz leiblich-sinnlicher Erkenntnis für die Architekturtheorie in den Diskursen der Leibphänomenologie und der Gestalttheorie der ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts. Unter den Aspekten des Blicks, der Gestalt und des Leibes werden die Bedingungen einer räumlich-gestischen Wahrnehmung skizziert und im Hinblick auf aktuelle Paradigmen des spatial turn sowie des performative turn aktualisiert. Schließlich wird an drei Wohnhäusern des österreichischen Architekten Lois Welzenbacher gezeigt, wie die Analyse von Ge- oder Misslingen einer architektonischen Geste dazu beitragen kann, ein Urteil über architektonische Qualitäten unserer gebauten Umwelt zu fundieren. // Angelika Jäkel ist Freie Architektin. Sie lehrt und forscht zu Grundlagenthemen der Architektur am Institut Entwerfen, Kunst und Theorie des KIT/Karlsruher Institut für Technologie.