Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG als ein Grundrecht der Kunst
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Das Kunst- und Kulturrecht hat in den letzten Jahren unter verschiedenen Gesichtspunkten und in verschiedenen Zusammenhängen eine verstärkte Beachtung durch die Rechtswissenschaft erfahren. Auch jüngere Entwicklungen im internationalen Kulturrecht sowie nicht zuletzt die anhaltende und jüngst wiederkehrende verfassungspolitische Debatte um die Verankerung einer Kulturstaatsklausel im deutschen Grundgesetz lassen die Frage nach der verfassungsrechtlichen Grundlage eines modernen und sachgerechten Rechtsrahmens für Kunst und Kultur in der Gesellschaft in den Fokus des Interesses treten. Nach gegenwärtigem Stand stellt Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, neben anderen kulturrelevanten Grundrechten, die tragende Säule der sogen. »Kulturverfassung« in der Bundesrepublik Deutschland dar. In ihrer Funktion als Freiheits- und Abwehrrecht ist die grundrechtlich garantierte Kunstfreiheit in der Tat eine zentrale und unverzichtbare rechtliche Voraussetzung für die freie künstlerische Entfaltung von Künstlern und für ein vielfältiges Kunst- und Kulturleben in der Gesellschaft. Gleichzeitig zeigt sich jedoch, dass ein auf die Person des Künstlers zentriertes Verständnis des Grundrechts als ein rein individuelles Freiheitsrecht allein den Ansprüchen und den Bedürfnissen eines komplexen und vielfältigen Kunstlebens in der hochgradig ausdifferenzierten Gesellschaft der Gegenwart nicht mehr gerecht werden kann. Als die Grundlage einer Kulturverfassung und damit zugleich als verbindlicher Rahmen und Maßstab der staatlichen Kunst- und Kulturpolitik muss die Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG heute darüber hinaus in einem besonders hohen Maße wieder als verfassungspolitische Wertentscheidung zugunsten der Kunst in der Gesellschaft und als objektiv-rechtliche Grundsatznorm verstanden werden, welche die spezifischen Eigengesetzlichkeiten und Bedürfnisse des autonom operierenden Kunstsystems in der Gesellschaft ernst nimmt und in einen adäquaten (verfassungs-)rechtlichen wie gleichermaßen kulturpolitischen Rahmen überführt. Eine zeitgemäße und gesellschaftsorientierte Interpretation der Grundrechte muss im Fall der Kunst und ihrer Freiheit zu einem am Kunstsystem orientierten, erweiterten Verständnis von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG als einem echten Grundrecht der Kunst und als rechtliche Autonomiegarantie für das gesamte gesellschaftliche System »Kunst« führen, um dem Wert der Kunst für die postmoderne Gesellschaft auch in rechtlicher Hinsicht hinreichend Rechnung zu tragen. Unter einem gesellschaftsbezogenen Ansatz entwickelt die Arbeit die dogmatische Grundlage für ein erweitertes, »systemisches« Verständnis des Grundrechts, zieht hieraus Konsequenzen für die Ausgestaltung des rechtlichen Rahmens für die Kunst in der Gesellschaft und beschreibt die von der Verfassung vorgegebenen Maßstäbe für die staatliche Kunst- und Kulturpolitik. Gleichzeitig vermag sie es unter dem in ihr entwickelten systembezogenen Ansatz, eines der ältesten und nach wie vor offenen Probleme der bundesrepublikanischen Grundrechtsdogmatik, nämlich die Frage nach der Definition des verfassungsrechtlichen Kunstbegriffs in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, deutlich zu entschärfen und für den Rechtsanwender handhabbarer zu machen, indem sie auch in diesem Zusammenhang die Autonomie des Kunstsystems konsequent ernst nimmt.