Verwesung, der mikrobielle Abbauprozess menschlicher Leichen und seine Bedeutung für den Öffentlichen Gesundheitsdienst, Hygiene, Friedhofswesen, Bodenkunde, Rechtsmedizin und Kriminologie
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Die Verwesung menschlicher Leichen ist ein aktiver mikrobieller Abbauprozess und verläuft analog zur Verrottung von Tierkadavern oder Pflanzenmaterial. Dieser Prozess ist eingebettet in den allgemeinen Kohlenstoffzyklus (Kohlenstoffkreislauf, Carbon cycle) der Natur. Der Stoffwechsel der Mikroorganismen, der zum Gewebeabbau führt, wird durch die Umgebungsbedingungen entscheidend beeinflusst und kann stark verzögert oder sogar gestoppt werden. Hetertrophe Mikroorganismen nutzen bei der Leichenzersetzung das menschliche Gewebe zum Aufbau zelleigener Substanzen und zur Energiegewinnung. Beide Prozesse, Aufbau zelleigener Substanzen und Energiegewinnung, müssen parallel nebeneinander ablaufen, sonst ist ein vollständiger Gewebeabbau nicht möglich. Das Gewebe einer menschlichen Leiche kann innerhalb von zehn Jahren vollständig zu Kohlendioxid und Wasser abgebaut werden, wenn es nicht auf Grund der Umgebungsverhältnisse zu einer Hemmung des mikrobiellen Stoffwechsels kommt. Unter ungestörten Umgebungsverhältnissen bleiben nur die Knochen und Mineralien zurück. Können die Mikroorganismen auf Grund der Umgebungsverhältnisse nicht ungestörten wachsen, kommt es zur Mumifikation, Fettwachs- oder Faulleichenbildung. Zur Mumifikation bzw. zur Entstehung von Eismumien kommt es bei Wassermangel auf Grund von Trockenheit oder bei Dauerfrost. Sauerstoffmangel, wahrscheinlich die häufigste Ursache für die Hemmung des mikrobiellen Abbaus, führt zur Bildung von Fettwachs (Adipocere, Leichenlipid). Fettwachs ist eine gräulich-weiße bis schneeweiße, anfänglich schmierig-weiche, mit zunehmendem Alter krümelig-feste, geruchlose bis leicht modrig riechende, sich fettig anfühlende Substanz. Die Körperform kann bei Fettwachsleichen über viele Jahrzehnte herhalten bleiben. Faulleichen entstehen, wenn weder Sauerstoff zum vollständigen mikrobiellen Abbau zur Verfügung steht noch die unter anaeroben Bedingungen gebildeten Fäulnisprodukte, an die Umgebung abgegeben werden können. Fäulnisprodukte können auf Grund ihrer toxischen Wirkung in höheren Konzentrationen das Wachstum der Mikroorganismen hemmen und so den Abbauprozess stoppen. Faulleiche bestehen makroskopisch aus einer undefinierbaren, schwarzen, stinkenden Masse aus Geweberesten und Fettwachs. Zur Faulleichenbildung kommt es z. B. bei Leichen in Zinksärgen, Tonnen, eingemauert, einbetoniert, eingewickelt in Kunststofffolien, vergraben in luft- und wasserundurchlässigem Boden oder unter vergleichbaren abgekapselten, engen Verhältnissen. In dem Beitrag werden die Mechanismen, Bedingungen und die Umstände beschrieben, die zum Abbau bzw. zur Hemmung des mikrobiellen Gewebeabbaus führen.