Die Wiederkehr der Renaissance im 19. und 20. Jahrhundert
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Daß ein kulturhistorisches Werk wie Jacob Burckhardts Die Kultur der Renaissance in Italien, 1860 erschienen, eine ganze Epoche entscheidend beeinflussen konnte, war ein einmaliges Phänomen; zur ungewöhnlichen Wirkung dieses Werkes gehört, daß es überall Spuren hinterließ. Die Neorenaissance war um 1900 allgegenwärtig: in der Architektur und der Malerei, in der Philosophie und in der Theologie, in der Literatur und der Musik, in der Festkultur und in der Handwerkskunst. Nietzsche und Wagner haben sich mit der Renaissance auseinandergesetzt, Paracelsus und Hutten wurden als Repräsentanten der Renaissance diskutiert. Besonders stark war der Niederschlag in der Literatur: für Rilke war die Beschäftigung mit der Renaissance eine Form der Selbsterfahrung, Heinrich und Thomas Mann waren Vertreter der Neorenaissance und zugleich deren Kritiker. Aber Burckhardts Buch beeinflußte auch Ezra Pound und seine Deutung der amerikanischen Architektur um 1900. In Deutschland findet sich die Neorenaissance in den Staatsbauten und den Banken, Hotels und Palästen des Großbürgertums. Später gab Thomas Manns Doktor Faustus der Diskussion über die sogenannte deutsche „Eigenrenaissance“ wichtige Anstöße; das Syndrom aus deutschem „Sonderweg“, lutherischer Reformation, Musik und Nietzsche bestimmte wesentlich seinen Deutschland-Roman mit. Hanns Eislers Johann Faust schließlich führte in der DDR zu einer heftigen kulturpolitischen Debatte. Der Renaissancismus um 1900 und seine Folgen, die bis in den Kult der Gewalt und deren Deutung als eines kulturfördernden Phänomens reichen, sind wenig erforscht; die hier versammelten Beiträge zeigen das Vielgestaltige der Neorenaissance und liefern in Abbreviaturen ein Stück Kulturgeschichte, das in Vergessenheit zu geraten droht.