Stoische Ethik und platonische Bildung
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Die stoische Philosophie steht in ihren grundsätzlichen Annahmen zur Erkenntnistheorie, zur Ontologie und zur Psychologie dem Platonismus diametral entgegen. Wenn mit Simplikios ein Philosoph der neuplatonischen Schule das Werk eines Stoikers durch eine ausführliche Kommentierung würdigt und diesem im Curriculum des Philosophieunterrichts einen Platz einräumt, scheinen sich die gängigen Vorurteile gegen den Neuplatonismus als eine alles vereinnahmende und harmonisierende Philosophie zu bestätigen. Ein Blick auf das Bildungsverständnis des Neuplatonismus und den in den Texten ausführlich reflektierten erkenntnistheoretischen Grundlagen bietet jedoch Anlass sowohl zur Skepsis gegenüber diesen Vorwürfen als auch zu einer differenzierten Untersuchung des Verhältnisses von platonischer und stoischer Ethik in der Spätantike. Am Beispiel von Simplikios' Kommentar zum 'Handbüchlein der Moral' des Epiket soll im vorliegenden Buch die Möglichkeit der Verwendung stoischer Texte als Vorbereitung für den Einstieg in das neuplatonische Bildungsprogramm dargelegt und begründet werden, ohne dass der Einsatz dieser Texte zu einer Vermischung der stoischen mit den platonisch-aristotelischen Theorien führt. So liefert Simplikios mit seinem Kommentar eine wissenschaftliche Ethik des Neuplatonismus, die mit der Darlegung und Beschreibung der Anweisungen Epiktets dem Unkundigen sowohl einen ersten Zugang in das philosophische Leben bietet als auch mit seinen weiterführenden Kommentierungen die rationalen Begründungen dieser Handlungsaufforderungen offenlegt.