Trauma-Konfigurationen
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Die in der fachwissenschaftlichen Literatur und den Feuilletons viel beachteten Prosatexte der deutschen Gegenwartsliteratur, Bernhard Schlinks , Der Vorleser’, W. G. Sebalds , Austerlitz’ und Herta Müllers , Atemschaukel’, werden einer traumatheoretischen Lektüre unterzogen. Hierbei greift der Verfasser ein Konzept auf, das sich in den Kultur- und Literaturwissenschaften seit den 1980er Jahren einer zunehmenden Verbreitung erfreut. In dieser Perspektive rücken die Erzähler als schreibende Ichs in den Fokus der Lektüre. Sie erzeugen, um den in ihnen immer wieder aufkommenden Erschütterungen und Verwirrungen aus dem Wege zu gehen, , Trauma-Konfigurationen’. Dieser Vorgang ist insofern produktiv, als sie sich vergeblich bemühen, den „Riss“, die „Lücke“ in ihrer Psyche zu schließen. Sie generieren wieder und wieder Narrative, einen ganzen „Wald“ von Fiktionen. Dieser schützt sie vor weiteren Erschütterungen und ermöglicht ihnen den Fortgang ihres Schreibens. In traumatheoretischer Sicht wird Austerlitz nicht als selbständige Figur gelesen, sondern als ein phantasmatisch erzeugter Erzähler, mit dem sich das namenlose schreibende Ich vor traumatischen Erschütterungen schützt. Es hat nicht länger die Funktion einer Schreibinstanz, die nur festhält, was Jacques Austerlitz erzählt. Im Zentrum des Textes stehend, erzeugt es Austerlitz als anderes Ich sowie dessen Erinnerungen, die es, mit einem Kindheitstrauma der deutschen Nachkriegsjahre versehen, selbst nicht hat, nicht haben kann. Mit der Lektüre der , Atemschaukel’ werden Folgewirkungen eines doppelten Traumas, eines Lager- und eines Sexualtraumas freigelegt. Leopold Auberg, das schreibende Ich, erinnert sich an das sowjetische Lager Nowo Gorlowka, wo er in den Jahren 1945 bis 1950 Zwangsarbeit hat verrichten müssen. Mit diesen Erinnerungen verdeckt er Bilder seines sexuellen Traumas, die ihn immer wieder drangsalieren. Das Trauma hat sich seiner in frühen Jahren mit der Homosexualität bemächtigt. Dies führte ihn in der vom Nationalsozialismus dominierten deutschen Enklave Siebenbürgen in lebensbedrohliche Situationen. In der Lektüre von , Der Vorleser’ wird bei dem schreibenden Ich Michael Berg eine unlösbare Verknotung mit Hanna sichtbar, von der er schon als Fünfzehnjähriger erfasst wird und die seinen späteren Liebesbeziehungen mächtig im Wege steht. Er macht Hanna für seinen Zustand verantwortlich, die sechsunddreißigjährige Schaffnerin, früher SS-Angehörige und Aufseherin in einem Konzentrationslager. Er erinnert sie, um die Rätsel zu lösen, die sie ihm mit ihrem Verhalten aufgibt, als Analphabetin und lenkt damit seine Sicht auf eine Hanna, die mit einem Trauma persona non grata permanent vor stigmatisierenden Situationen auf der Flucht ist. Ihr Selbstmord am Tag ihrer Entlassung nach achtzehn Jahren Gefängnis scheint diesem Fluchthabitus zu folgen.